STRATEGIE11. Oktober 2023

Der digitale Euro – Pläne und Perspektiven für Europa – von Bundesbanker Burkhard Balz

CBDC/ Digitaler Euro: Szenarien, Designoptionen und Auswirkungen – von Bundesbanker Burkhard Balz
Deutsche Bundesbank

In einer Rede bei der Online-Gesprächsrunde der “Europa-Union Deutschland e.V.” sprach Bundesbanker Burkhard Balz über Pläne und Perspektiven zum Thema digitaler Euro. Er betonte die Rolle der Intermediäre und die Ausgestaltung des rechtlichen Rahmens durch die Europäische Kommission. Eine Zusammenfassung seiner Rede.

von Burkhard Balz, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank

Für die europäische Integration spielt auch der Euro eine wichtige Rolle. Eine gemeinsame Währung senkt die Kosten für den Handel. Der Euro ist darüber hinaus ein Symbol für das Zusammenrücken in Europa, das im Alltag für jeden sichtbar und im Portemonnaie konkret spürbar ist.

Allerdings muss man feststellen, dass Euro-Banknoten und Euro-Münzen eine immer geringere Rolle im Zahlungsverkehr spielen. Elektronische, bargeldlose Zahlungen gewinnen an Bedeutung. Es ist deshalb nur folgerichtig, dass Zentralbanken über digitales Geld nachdenken – für unseren Alltag und als Ergänzung zu Bargeld. Auch das Eurosystem arbeitet mit Nachdruck an diesem Thema.

Europäische Souveränität stärken

Bislang ist es in Europa nicht gelungen, eine einheitliche, europaweite Bezahllösung für die Ladenkasse, für den Online-Handel sowie für Zahlungen zwischen Privatpersonen zu etablieren. Nach wie vor sind wir bei Zahlungen im Ausland und häufig auch im Internet auf internationale Kartensysteme oder BigTechs angewiesen, die ihren Sitz außerhalb Europas haben. Gerade in Zeiten geopolitischer Unsicherheiten und Spannungen könnte diese Abhängigkeit problematisch werden. Wenn Zahlungen zum Beispiel wegen Sanktionen nicht mehr ausgeführt werden könnten, käme der gesamte Handel sofort zum Erliegen.

Wenn Sie mich fragen, darf sich Europa nicht weiter abhängig machen und muss an eigenen Infrastrukturen arbeiten. Der Zahlungsverkehr ist für die Gesellschaft und Wirtschaft eine kritische Infrastruktur, die unter allen Umständen funktionsfähig bleiben muss. Auch weil wir in diesen Zeiten mehr Autonomie brauchen, beschäftigen wir uns mit dem digitalen Euro.”

Ein digitaler Euro …

Die Existenz von Zentralbankgeld und die Möglichkeit, jederzeit Geschäftsbankengeld auf dem Bankkonto gegen den gleichen Betrag in bar tauschen zu können, „verankert“ das Vertrauen der Menschen in die Stabilität des Geldsystems.

Wenn Sie heute Euro-Bargeld in den Händen halten, stehen dahinter als Herausgeber des Geldes die Europäische Zentralbank und die nationalen Zentralbanken des Euroraums. Aber Zentralbankgeld für jedermann gibt es heute nur als physisches Bargeld. Damit kann man im Onlinehandel, auf digitalen Plattformen oder an vielen Fahrkartenautomaten nicht bezahlen. Ein digitaler Euro würde all dies ermöglichen. Wie heute im stationären Handel, würden wir damit eine zusätzliche Wahlmöglichkeit für die digitale Welt anbieten.”

Die Zahlungsverhaltensstudie der Bundesbank zeigt, dass inzwischen jeder vierte Euro im Internet ausgegeben wird. Bargeld steht dort nicht als Bezahloption zur Verfügung. Dadurch tut sich eine Lücke auf zwischen dem zunehmend digitalen Alltag und dem bislang nur analog verfügbaren Zentralbankgeld. Der digitale Euro würde eine Brücke ins digitale Zeitalter schlagen. Unser Ziel ist es, die Vorteile des Zentralbankgeldes mit den Ansprüchen zu kombinieren, die Menschen heute an Geld haben.

macht das Leben einfacher …

Der digitale Euro wäre eine zusätzliche Option, kein Ersatz für heutige Zahlverfahren. Die Menschen werden weiterhin selbst entscheiden, wie und womit sie gerne bezahlen möchten. Wir wollen nicht steuern, verdrängen oder lenken. Wir werden auch unser Euro-Bargeld weiter anbieten. Eine große Stärke des Bargelds liegt darin, dass Sie es überall im gesamten Euroraum einsetzen können. Dies gilt zumindest für Zahlungen an der Ladenkasse sowie bei Zahlungen zwischen physisch anwesenden Personen.

Ein digitaler Euro wäre zusätzlich auch im Onlinehandel und für den Zahlungsverkehr mit öffentlichen Stellen nutzbar. Zwar gibt es heute schon digitale Bezahllösungen für viele Einsatzbereiche, aber diese sind häufig nicht universell einsetzbar. Hier kommt die Idee des „digitalen Bargeldes“ ins Spiel: jederzeit, überall und in allen Bezahlsituationen mit einem Verfahren – dem digitalen Euro – zahlen können.

und Europa widerstandsfähiger.

Die Einführung eines digitalen Euro hätte auch aus politisch-strategischer Sicht klare Vorteile. Alltägliche Zahlungen im oder in das europäische Ausland sind heute meist nur mithilfe von internationalen Kartensystemen oder globalen Internetplattformen möglich. Das gilt sogar innerhalb des Euroraumes. Europa ist im Zahlungsverkehr viel stärker von internationalen Anbietern abhängig als andere Regionen auf der Welt. Es gibt keine digitale, europaweite Lösung, die auf europäischer Infrastruktur aufbaut. Und das schafft Abhängigkeiten. Abhängigkeiten in einem Bereich, der für mich ganz eindeutig zur kritischen Infrastruktur zählt.

Mit dem digitalen Euro würde das Eurosystem ein neues Zahlungsnetz knüpfen, über das alle Bürgerinnen und Bürger sowie die Unternehmen im Euroraum erreicht werden können. Dabei würden Banken und andere Zahlungsdienstleister dafür sorgen, dass auf Basis gemeinsamer, EU-weiter Regeln einfache, bequeme und sichere Bezahlangebote entstehen, die auch den Schutz persönlicher Daten nach europäischen Datenschutzgesetzen sicherstellen.

Die Rolle der Intermediäre

Banken und andere Zahlungsdienstleister werden weiterhin den direkten Kontakt zu den Kunden haben. Wir setzen ganz bewusst auf ihre Erfahrung und Innovationskraft an der Kundenschnittstelle. Das Eurosystem möchte keine Geschäftsbank für 350 Millionen Menschen in Europa werden.

Intermediäre könnten den digitalen Euro der Kundenseite mittels eigener Wallet-Lösungen zur Verfügung stellen, also nahtlos in ihr eigenes Angebot im Online oder Mobile Banking integrieren. Oder sie könnten eine eigenständige App, die vom Eurosystem entwickelt wird, nutzen und diese mit dem Bankkonto verknüpfen. Zunächst steht die Nutzung mit dem Smartphone im Vordergrund. Andere Zugangswege wie physische Karten könnten später folgen. Schließlich müssen auch weniger digital-affine Menschen den digitalen Euro nutzen können.

Der digitale Euro wäre eine Zahlungslösung für den Alltag. Er soll – anders als zum Beispiel das Bargeld – nicht zum Zweck der Wertaufbewahrung oder Geldanlage genutzt werden. Unter anderem sind Haltegrenzen für digitale Euro-Guthaben im Gespräch. Diese wären Schutzmechanismen, um unkontrollierte Abflüsse von Sichteinlagen bei Geschäftsbanken zu verhindern. Wie ein solches Limit genau ausgestaltet wäre und in welcher Höhe, steht noch nicht fest.

Für Banken und andere Zahlungsdienstleister wäre der digitale Euro eine echte Chance. Intermediäre könnten auf seiner Basis innovative und wertschöpfende Dienstleistungen entwickeln, die von Tag eins an eine europäische Reichweite hätten.

Auch in der Industrie sollte ein digitaler Euro Innovationen fördern können. Denn in der Industrie 4.0 und im Internet-of-Things wird digitales Geld benötigt, das in vollständig automatisierte Prozesse eingebunden werden könnte und universell einsetzbar wäre. Der digitale Euro könnte auch hier einen Mehrwert schaffen, da er breite Akzeptanz garantieren und gleichzeitig wertstabil und sicher sein würde.

Rechtlicher Rahmen für den digitalen Euro

Die Europäische Kommission hat Ende Juni ihre Legislativvorschläge zum digitalen Euro sowie zum Zugang zu Euro-Bargeld vorgelegt. Damit wird deutlich, dass auch die Europäische Kommission das Euro-Bargeld und den digitalen Euro als zwei Seiten einer Münze sieht. Den Vorwürfen, mit dem digitalen Euro würde man das Bargeld zurückdrängen wollen, ist damit aus meiner Sicht der Wind aus den Segeln genommen.

Mit den Vorschlägen würde einerseits die Rolle des Bargelds gestärkt. Akzeptanz und Zugang zu Bargeld würden gesetzlich garantiert. Kurz gesagt: Jeder, der mit Bargeld zahlen möchte, soll dies auch zukünftig tun können. Andererseits würde mit dem gesetzlichen Rahmen eine solide Grundlage für einen digitalen Euro im europäischen Zahlungsverkehr geschaffen. Der Gesetzesentwurf sieht vor, den digitalen Euro mit dem Status als gesetzliches Zahlungsmittel zu versehen.”

Mit dem gesetzlichen Rahmen würde sichergestellt, dass die Rolle der Banken und anderer Zahlungsdienstleister im Finanzsystem bestehen bleibt. Sie würden auch bei Zahlungen mit dem digitalen Euro angemessene Einnahmen generieren können. Für Privatpersonen wäre seine Grundnutzung kostenfrei. Durch die Unterstützung für Zahlungen, die bei Erfüllung bestimmter Bedingungen weitgehend automatisiert ausgeführt werden, würde auch Innovationspotenzial in der Zukunft erschlossen.

Auch die Möglichkeit von Offline-Zahlungen soll gesetzlich festgeschrieben werden. Das würde aus meiner Sicht einen echten Mehrwert schaffen. So könnte man auch ohne Internetverbindung an den entlegensten Stellen digital bezahlen. Und all das unter der Wahrung eines höchstmöglichen Maßes an Privatsphäre.

Fazit

Der EZB-Rat wird zeitnah entscheiden, ob das Projekt in einer Vorbereitungsphase auf dem Weg zur tatsächlichen Einführung fortgesetzt wird. Der EZB-Rat wird nicht darüber entscheiden, ob es einen digitalen Euro geben wird, sondern nur über eine mögliche Fortführung des laufenden Projektes. Als Nächstes würden dann die Arbeiten an Konzept, Technik und Regelwerk fortgeführt und sicherlich auch weiter konkretisiert.

Für eine tatsächliche Einführung braucht es einen breiten politischen und gesellschaftlichen Konsens und einen rechtlichen Rahmen, der diesen widerspiegelt. Ich halte es für realistisch, dass es weitere vier bis fünf Jahre dauert, bis wir einen digitalen Euro in der Hand oder besser gesagt auf dem Smartphone haben werden.

Die vollständige Rede von Burkhard Balz finden Sie hier.pp

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