STRATEGIE22. August 2023

Digitaler Euro & Smart Contracts: Geht das zusammen? Wolfgang Berger (CTO, IBM Consulting) im Interview

Digitaler Euro & Smart Contracts: Geht das zusammen? Wolfgang Berger, IBM, Partner und CTO, IBM Consulting für Banking im Interview
Wolfgang Berger, CTOIBM Consulting

Die Europäische Kommission hat Ende Juni 2023 einen Legislativvorschlag zum Digitalen Euro vorgelegt, der jetzt in die Abstimmung mit dem Ministerrat und dem EU Parlament geht. Nach Abschluss des europäischen Gesetz­gebungs­verfahren kann der Digitale Euro eingeführt werden. Der Abschluss des Verfahrens wird für Juni 2024 erwartet. Wir haben Wolfgang Berger (IBM, Partner und CTO, IBM Consulting für Banking) gefragt.

Herr Berger, sind digitale Währungen grundsätzlich die Bezahlart der Zukunft? 

Die Antwort würde ich gerne etwas differenzieren:

Versteht man unter digitalen Währungen „Retail CBDC“, dann ist es mit Sicherheit eine Bezahlart der Zukunft. Allerdings beabsichtigt die EZB keine Verdrängung des privaten Sektors. Insofern wird es nicht „die“ Bezahlart der Zukunft.”

Inkludiert man auch Kryptowährungen, Stablecoins, Digitales Giralgeld (CBMTs) etc., dann kann man davon ausgehen, dass Zahlungstransaktionen zukünftig zu einem noch größeren Teil digital werden.

Die Verwendung von Bargeld wird sehr wahrscheinlich insgesamt zurückgehen. In den Ländern der Eurozone, mit sehr unterschiedlichen Kulturen, wird dies unterschiedlich sein, sowie sich heute auch der Umfang der Bargeldverwendung erheblich unterscheidet.

Digitale Währungen werden umso mehr eine Rolle spielen, je mehr Prozesse, Dienstleistungen und Güter in digitaler Form bestehen und angeboten werden.

Welchen Herausforderungen steht die Zentralbank gegenüber?  

Bei einem Projekt dieser Größenordnung ergeben sich eine Reihe von Herausforderungen. Die aus meiner Sicht wichtigsten, die auch im Speziellen für den Digitalen Euro diskutiert werden, sind:

An erster Stelle ist die vielfach diskutierte Akzeptanz des Digitalen Euros zu nennen. Es gibt aus meiner Sicht insgesamt für die Eurozone eine Reihe von Vorteilen. Den Nutzen für die Breite der Retail-Kunden herauszuarbeiten, mit entsprechender Funktionalität zu unterlegen und auch verständlich zu kommunizieren, ist jedoch eine der großen Herausforderungen.”

Um eine entsprechende Akzeptanz auch auf Dauer zu erhalten, muss der Digitale Euro auch als Hebel für Innovationen dienen und in der Konsequenz ein entsprechendes Ecosystem etablieren.

Wolfgang Berger CTO, IBM Consulting
Wolfgang Berger ist Partner und CTO Banking & Financial Markets für die Region DACH in IBM Consulting (Website). Nach seinem Informatikstudium an der Technischen Universität München war er in führenden Positionen bei verschiedenen Beratungsunternehmen und ist nun seit über 25 Jahren in der Beratungsbranche tätig. Linkedin.

Ebenso wichtig ist eine möglichst einfache Integration mit den bestehenden Prozessen und IT-Landschaften der Banken und Zahlungsdienstleister. Viele der bestehenden Mechanismen sollten wiederverwendet werden, um den Digitalen Euro als gesetzl. Zahlungsmittel schnell und einfach einzuführen.”

Damit wird aber natürlich auch die Wahrnehmung der Vorteile des Digitalen Euros im direkten Vergleich mit bestehenden Bezahlarten recht schwierig, insbesondere im Vergleich zu SEPA Instant Payment und Request-To-Pay.

Ferner ist aus meiner Sicht auch Schnelligkeit gefragt. Digitale Bezahlarten wie Stablecoins etablieren sich vermehrt im Markt. Auch Zentralbanken anderer bedeutender Währungsräume arbeiten an Retail CBDCs, teilweise sind diese auch bereits im Markt, Beispiel China.

Daneben gibt es noch einige Herausforderungen für die regulatorische Seite, um eine weitere Harmonisierung innerhalb der Eurozone zu erreichen. Beispielsweise bzgl. KYC und AML. Diese ist als Unterstützung für den Digitalen Euro essentiell.

Wie kann eine technische Umsetzung aussehen und wo liegen die Herausforderungen?

Die größte Diskussion besteht momentan hinsichtlich einer zentralen klassischen oder einer DLT-basierten Lösung. Letztere ebenfalls mit einer zentralen Governance – also nicht zu verwechseln mit Public Blockchains mit dezentraler Governance, die für den Digitalen Euro keine Rolle spielen.

Aus meiner Sicht sollte eine DLT-basierte Lösung mit zentraler Governance angegangen werden. Die Technologie ist weit genug fortgeschritten, auch Transaktionszahlen sind hier kein Hindernis. Anforderungen an Sicherheit, Verfügbarkeit, Widerstandsfähigkeit gegen Cyber Angriffe sind ebenfalls erfüllt. Und es ist ein Schritt in eine zukünftige Technologie.

Dazu ist jetzt die Gelegenheit !”

Auch im Legislativvorschlag der Europäischen Kommission wird explizit auf die Erwägung von DLT hingewiesen. Eine DLT und token-basierte Implementierung heißt aber auch nicht zwingend, dass die gesamte IT-Landschaft von Banken und Zahlungsdienstleistern umgestellt werden muss.

Wie könnten Smart-Contract-Funktionen in die aktuell geplante CBDC-Welt integriert werden?

Nehmen wir an, dass die EZB für den Digitalen Euro eine DLT-basierte Implementierung wählt, dann können mit Smart-Contracts nicht nur Fremdwährungszahlungen, sondern auch sog. Conditional Payments (Begriff der EZB) gut unterstützt werden. Auch Multi-Party Zahlung und Integrationen in Ecosysteme und die virtuellen Welten lassen sich damit besser unterstützen. In all diesen Szenarien sind Zahlungen ein zentrales Thema und die direkte Interoperabilität von DLTs von Vorteil.

Entsprechende Experimente des BIS zeigen verschiedene Ansätze (icebreaker, mBridge) für Zahlungen in Fremdwährungen.

Natürlich ist in diesem Kontext noch eine genauere Abgrenzung zwischen EZB und dem privaten Sektor vorzunehmen.

Kann die Anonymität (wie sie bei Bargeld gegeben ist) eigentlich auch in einem CBDC-System gewährleistet werden?

Kann sie bis zu einem gewissen Grad. Bedingt durch die Regulatorik und Gesetzgebung gibt es aber natürlich einige sinnvolle Einschränkungen. Die Umsetzung von AML-Maßnahmen ist nur eine davon, die Bekämpfung von Steuervermeidung eine andere. Hier muss der Gesetzgeber eine geeignete Balance finden.”

Nach dem aktuellen Vorschlag der Europäischen Kommission scheint diese auch gefunden. Entsprechend ermöglicht die Kombination von Proximity, d.h. räumliche Nähe von Zahler und Zahlungsempfänger, und einem niedrigen Zahlungsbetrag eine entsprechende Anonymität bei Offline-Zahlungen.

Wie stellt man aber nachvollziehbar und überprüfbar sicher, dass eine Anonymität mit gewissen Einschränkungen besteht? Quantum-sichere Verschlüsselungsverfahren und Signaturverfahren sowie Zero-Knowledge Proofs sind hier der Schlüssel.

Wie könnten Offline-Zahlungen in einem CBDC-Ökosystem implementiert werden?

Für Offline-Zahlung gibt es immer noch technische Einschränkungen hinsichtlich der Sicherheit. Es sind unterschiedliche technische Verfahren verfügbar, die ein unterschiedliches Maß an Sicherheit hinsichtlich der Duplizierbarkeit und des sog. Double-Spend von Digitalen Euros bieten. Insofern sind offline Zahlungen möglich, bergen aber ein gewisses Risiko, dass es sich um Versuche der mehrfachen Verwendung von Digitalen Euros handelt. Im weitesten Sinne vergleichbar zu Fälschungen von Banknoten. Regelmäßige Online-Verbindungen sind aus heutiger Sicht erforderlich, um das Risiko zu mitigieren. Am Ende handelt es sich um eine Betrachtung von Risiko vs. Aufwand und Usability.

Ferner muss zwischen den Offline-Geräten und Funktionalitäten (Karten, Smartphone etc.) ein entsprechender Standard bestehen, damit verschiedene Herstellern zusammen agieren können und auch die dazu erforderliche Infrastruktur, z.B. für das Laden von Karten, verwendet werden kann.

In einem Zahlungsvorgang in der Eurozone ist jedoch sehr oft zumindest eine Partei online, auch wenn es nur der Parkautomat tief unten in einem Gebäude ist. Die explizite Offline-Fähigkeit wird in Diskussionen oft mit der Forderung nach Privacy begründet. Auch für Online-Zahlungen könnte eine entsprechende Privacy erreicht werden, sofern Proximity und Zahlungslimit erfüllt sind.

Welche technischen Herausforderungen sehen Sie noch?

Oft diskutiert und kritisiert wird der niedrige Durchsatz von Transaktionen bei DLT-Systemen. Auch hier muss definitiv differenzierter auf die Thematik geblickt werden. Für den Digitalen Euro kommen public Blockchains mit teilweise sehr aufwändigen Algorithmen, wie für Bitcoin, nicht in Frage.”

Für permissioned DLTs, also DLTs mit z.B. einer zentralen Governance und expliziter Zulassung von Teilnehmern, können optimierte Algorithmen für die Validierung von Transaktionen verwendet werden. Dementsprechend sind deutlich höhere Transaktionsraten möglich. Wir haben das beispielsweise in eigenen Implementierungen gezeigt. Hier ist unser IBM Labor in der Nähe von Zürich führend.

Herr Berger, vielen Dank für das Interview!aj

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