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INTERVIEW10. März 2015

Ist professionelles Crowdfundig bald am Ende? Im Gespräch mit Dirk Littig vom Branchenverband GCN

Dirk Littig, Branchenverbands German Crowdfunding NetworkGCN
Dirk Littig, Branchenverbands German Crowdfunding Network und Geschäftsführer von Bankless24.GCN

Dirk Littig ist Mitbegründer des Branchen­ver­bands German Crowdfunding Network, dem Branchen­verband der deutsch­spra­chigen Crowdfunding Szene und Geschäftsführer von Bankless24. Im Branchen­verband GCN sind, laut eigener Beschreibung allen Arten der Crowdfinanzierung vertreten vom klassischen Crowdfunding, über Crowdinvesting, Crowdlending bis hin zur Crowddonation. IT Finanzmagazin hat mit Dirk Littig über das bevorstehende Klein­an­leger­schutz­gesetz, die Auswirkungen und die Sorgen der Branche ge­sproch­en – und was es für seine Branchen bedeuten wird.

Herr Littig, sagen Sie – Sie können mir doch sicher erklären, warum das neue Kleinanlegerschutzgesetz so enorme Hürden für Kleinanleger aber auch für professionelle Anleger aufbaut?

Dirk Littig: Noch ist das Gesetz ja nicht in trockenen Tüchern. Und man kann nur hoffen, dass der Entwurf noch verändert wird. Denn der bisherige Gesetzentwurf schadet der deutschen Crowdfunding-Branche insgesamt. Er wirkt gleich an mehreren Stellen unausgereift und unangemessen. So ist geplant, dass Anleger grundsätzlich nur 1.000 Euro, höchstens jedoch zwei Nettogehälter und allerhöchstens 10.000 Euro in ein Investment stecken dürfen. Das wirkt nicht nur sehr bürokratisch.

Es dient aber doch dem Schutz der Anleger.

Das Kleinanlegerschutzgesetz schadet Kleinanlegern, weil professionelle Anleger als Signalgeber ausfallen.
Dirk Littig: Es schreckt institutionelle Anleger ab, für die sich Investments erst ab einer bestimmten Größenordnung lohnen. In der Folge schadet das auch den Kleinanlegern, weil diesen der professionelle Anleger als Signalgeber genommen wird. Damit verstellt die geplante Regulierung den Weg zu einer Professionalisierung und Etablierung des Crowdfundings und erreicht genau das Gegenteil dessen, was geplant war, nämlich für ein vernünftiges und angemessenes Anlegerschutzniveau zu sorgen.

Und wie ließe sich dann ein gutes Anlegerschutzniveau erreichen?

Littig: Zum Einen ist es so, dass man nicht Äpfel mit Birnen vergleichen sollte. Prokon und Co. waren intransparente Klumpenrisiken. Crowdfunding soll per se eine Streuung in viele verschiedene Risiken und Chancen ermöglichen. Darauf wird von den Plattformen auch immer wieder hingewiesen. Zum Anderen legen die meisten Plattformen auch schon heute großen Wert auf ein hohes Maß an Transparenz. Das geht sogar so weit, dass wir innerhalb des German Crowdfunding Network – unabhängig von der gegenwärtigen Gesetzgebung – die Etablierung eines „Code of Conduct“ vorgeschlagen haben – eine Art Selbstverpflichtung der Plattformen, die u.a. Transparenzrichtlinien beinhaltet.
Darüber hinaus wäre es durchaus wünschenswert, die Anlagegrenzen für professionelle Anleger nach oben zu öffnen. Ein solcher Anleger, der nach seiner professionellen Analyse als eine Art Signalgeber für die Crowd fungiert, kann zwar Risiken nicht ausschließen, aber er wird natürlich selbst auch nur in die Unternehmen investieren, die seiner Analyse nach ein attraktives Chance-/Risiko-Profil aufweisen.

Angenommen, das Gesetz käme so wie es geplant ist – würde das die deutschen Gründer überhaupt betreffen? Viele finanzieren sich ja bereits über Investoren aus dem Ausland. Warum nicht auch Crowdfundig über internationale Crowdfunding-Börsen?

Littig: Die Regulierung setzt ja nicht am juristischen Sitz der Plattform an, sondern am Ort des öffentlichen Angebots – was auch richtig ist. Es geht ja um den Schutz des deutschen Kleinanlegers. Insofern würde ein Ausweichen deutscher Unternehmen auf Plattformen aus dem Ausland nicht sonderlich viel nützen, außer die Unternehmen beschränken sich auch auf (Klein-)Anleger aus dem Ausland.

Es betrifft die deutschen Unternehmen und in der Folge die deutsche Wirtschaft also durchaus massiv, weil es die Finanzierungsalternativen im Vergleich zu anderen Ländern unter Umständen deutlich einschränkt. Ebenso – und das sollte man nicht vergessen – werden auch die Anlagechancen deutlich eingeschränkt. Es geht ja bei der Betrachtung von Risiken immer auch um die andere Seite der Medaille – die Chancen.

Wenn Crowdinvestments so wichtig für die Gründerkultur sind – wie kommt es dann zu der Forderung nach einem so hohen Anlegerschutzniveau?

Littig: In den vergangenen Jahren gab es eine Reihe großer Schadensfälle, insbesondere am so genannten Grauen Kapitalmarkt. Das bekannteste Beispiel ist die Insolvenz des Windenergie-Konzerns Prokon, von dem knapp 75.000 Privatanleger betroffen waren. Das jetzige Gesetzgebungsvorhaben ist unter dem Eindruck von Prokon angestoßen worden. Aber es schießt völlig übers Ziel hinaus, weil die Belange unserer Branche nur unzureichend berücksichtigt werden. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Der Schutz der Anleger ist ja ein durchaus wichtiges und berechtigtes Anliegen. Wir sind sehr für eine vernünftige Regulierung, um für die Zukunft Planungssicherheit zu haben. Aber leider klaffen im aktuellen Entwurf Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander. Kommt das Gesetz in dieser Form, wird der Crowdfunding-Markt nachhaltig geschädigt.

Nun schadet Crowdinvestment den Banken und Sparkassen, indem sich Startups über
diesen alternativen Weg finanzieren. Wollen Sie die Banken abschaffen?

Littig: Keineswegs, wir wollen aber eine Alternative bzw. vor allem auch eine Ergänzung zu klassischen Finanzierungsformen bieten. Wir sehen täglich, dass vielversprechende Startups und etablierte mittelständische Unternehmen Schwierigkeiten haben, sich über die klassischen Wege zu finanzieren. Strenge Eigenkapitalvorschriften bei Finanzinstituten machen klassische Bankfinanzierungen nahezu unmöglich. Daran wird sich auch zukünftig nichts ändern. Und genau hier bieten wir eine neue, zeitgemäße und effektive Finanzierungsalternative über unsere Fintech-Plattformen an.

Institutionelle Anleger seien laut GCN das Rückgrat der Crowdinvestment-Kultur.iqoncept & pasiphae/bigstock.com
Institutionelle Anleger sind das Rückgrat der Crowd­invest­ment-Kultur.iqoncept & pasiphae/bigstock.com

Sie sprechen im Ihrem Beitrag bei der Huffington Post von einem Medienbruch, da das Ver­mö­gens­in­for­mations­blatt von Hand unterschrieben werden muss. Wie ließe sich das Problem aus Ihrer Sicht lösen?

Littig: Crowdinvesting ist ein klassisches Internet-Thema. Alle Prozessteile werden in der Regel über das Netz erledigt. Das muss auch fürs Unterschreiben des Informationsblatts möglich sein. Inzwischen gibt es selbst bei Behörden und Ämtern digitale Signaturen – denken Sie beispielsweise an die Finanzämter, die so etwas schon seit geraumer Zeit zulassen. Da ist es doch völlig absurd, dass ausgerechnet unsere webbasierte Branche zukünftig eine Anlegerunterschrift von Hand und auf Papier benötigt. Hier sollte es möglich sein, einen anderen Weg zu finden.

Crowdfunding ist eine sehr junge Idee. Deutsche Plattformen haben sich über das German Crowdfunding Network zu einem Verband organisiert. Was kann der Branchenverband bewirken?

Littig: Wie man am Beispiel des Kleinanlegerschutzgesetzes sieht, gibt es Herausforderungen, die nicht nur eine einzelne Plattform sondern die gesamte Branche betreffen. Das gilt auf nationaler Ebene, das gilt aber auch mit Blick auf den europäischen Markt, der weiter zusammenwächst. Deswegen bündeln wir die Kompetenzen der deutschen Crowdfunding-Branche in einem Verband und erzielen so eine starke Interessenvertretung unserer Mitglieder. Dabei geht es uns grundsätzlich darum, Crowdfunding in Deutschland zu fördern und weiter zu etablieren.

Wie sind Sie persönlich zum Thema Crowdinvestment gekommen?

Littig: Ich bewege mich seit mittlerweile 20 Jahren im Bereich Banken und Private Equity Gesellschaften – habe also im Grunde seit meinem Studium eine hohe Affinität zu Mittelstand und Finanzierungsthemen. Häufig habe ich dabei in verschiedensten Funktionen die Erfahrung gemacht, dass der Begriff “Mittelstand” durchaus unterschiedlich belegt sein kann. So wird sich beispielsweise ein PE-Fund (oder auch die etablierten Geschäftsbanken) unter Mittelstand irgendetwas in einer mindestens dreistelligen Umsatzgrößenordnung vorstellen, wohingegen sich der größere Handwerksbetrieb durchaus auch als Mittelstand sieht.

In meinen früheren Funktionen im Banken und PE-Bereich hat mich immer wieder die Frage umgetrieben, warum eigentlich niemand kapitalmarktähnliche Alternativen unterhalb von 20-25 Mio. Euro Finanzierungsbedarf bietet. Immerhin tragen die sogenannten KMU an die 40% zur Wirtschaftsleistung in unserem Land bei und beschäftigen ca. die Hälfte aller Arbeitnehmer. Irgendwann wurde die Idee dann zum Businessplan und der ist jetzt bankless24.

Vielen Dank Herr Littig für das offene Gespräch.

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