ANWENDUNG4. August 2025

Neuer Stresstest der BaFin: Digitale Resilienz rückt ins Zentrum der Aufsicht

EZB-Gebäude mit Eurozeichen
ESMT

Die deutschen Banken bestehen die Belastungsprobe der EZB, doch es gibt Unterschiede. Der Bankensektor im Euroraum ist weiterhin in der Lage, auch unter verschärften wirtschaftlichen Bedingungen zu bestehen. Das zeigt der aktuelle Stresstest, den die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) gemeinsam mit der Europäischen Zentralbank (EZB) durchgeführt hat. Auch die deutschen Institute zeigen sich im diesjährigen, besonders anspruchsvollen Krisenszenario widerstandsfähig. Ihre solide Kapitalausstattung hat dazu beigetragen, die im Stresstest simulierten Verluste wirksam aufzufangen. Während das Bankensystem des Euroraums im Szenario eines starken konjunkturellen Abschwungs als grundsätzlich widerstandsfähig gilt, rücken technologische und digitale Schwachstellen zunehmend in den Fokus der Aufsicht.

Der aktuelle Test, an dem 96 systemrelevante Institute im Euroraum teilgenommen haben, zeigt: Zwar sinkt die durchschnittliche harte Kernkapitalquote (CET1) im adversen Szenario bis Ende 2027 auf 12,0 % – ein Rückgang um 4 Prozentpunkte gegenüber dem Ausgangswert –, doch bleibt sie damit oberhalb kritischer Schwellen. Die bessere Ausgangsposition der Banken ist insbesondere auf eine robuste Ertragslage zurückzuführen, die durch das anhaltend hohe Zinsniveau und eine stabile Kreditqualität gestützt wurde. Doch trotz der insgesamt positiven Kapitalausstattung mahnt die EZB zur technologischen Wachsamkeit. Die Aufsicht hebt hervor, dass Banken ihre operationelle Widerstandsfähigkeit gezielt durch Investitionen in IT-Infrastrukturen und Cybersecurity stärken müssen. Gerade im Licht zunehmender geopolitischer Spannungen, fragmentierter Lieferketten und wachsender digitaler Angriffsflächen ist die Resilienz gegen IT-Risiken kein Nebenschauplatz mehr, sondern Kernbestandteil der Risikovorsorge.

Technologische Infrastruktur als Achillesferse vieler Banken

Während die Kredit- und Marktrisiken auch in diesem Jahr für den größten Teil des prognostizierten Kapitalrückgangs verantwortlich sind, betont die EZB die zunehmende Bedeutung operationeller Risiken – darunter Cybervorfälle, Datenverlust oder Systemausfälle. Diese Risiken tragen im adversen Szenario mit rund 0,7 Prozentpunkten zum CET1-Rückgang bei. Im Rahmen der Qualitätssicherung der eingereichten Daten wurde zudem festgestellt, dass viele Banken nach wie vor Schwierigkeiten bei der Aggregation granularer kreditbezogener Daten haben – ein Problem, das sich insbesondere in technisch heterogenen oder veralteten Systemlandschaften zeigt. Die EZB reagierte mit kurzfristigen Vor-Ort-Prüfungen zur Überprüfung der IT-Fähigkeiten und kündigte eine vertiefte Bewertung der Stresstestkapazitäten ausgewählter Institute an.

Die EZB nimmt die technologischen Fähigkeiten der Banken zunehmend in die Beurteilung ihrer Governance und Risikosteuerung auf – insbesondere im Rahmen des jährlichen aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozesses (SREP). Gleichzeitig offenbart der Stresstest, dass sektorale Anfälligkeiten – etwa bei digital stark vernetzten Geschäftsmodellen oder FinTech-Kooperationen – von den internen Modellen der Banken bislang nur begrenzt erfasst werden. Im explorativen Szenario zum Gegenparteiausfallrisiko wurde zudem deutlich, dass die Risiken durch Verflechtungen mit außereuropäischen Finanzakteuren – insbesondere aus den USA – auch eine technologisch induzierte Dimension haben. Der Grad der Besicherung gestresster Portfolios variiert stark, was auf Unterschiede im digitalen Risikomanagement und bei automatisierten Sicherheitenbewertungen hinweist.

Regulatorische Anforderungen an IT steigen weiter

Mit der Berücksichtigung der neuen Eigenkapitalverordnung CRR3 im Stresstest – inklusive der Einführung des „Output Floors“ – steigen auch die regulatorischen Anforderungen an die technische Umsetzbarkeit und Compliance digitaler Systeme. Die Institute mussten ihre Ausgangsdaten gemäß den neuen Vorschriften nachjustieren und konsistente, digital nachverfolgbare Reportings liefern. Das hat bei vielen Häusern zu IT-technischen Engpässen geführt, insbesondere bei mittelgroßen Banken mit historisch gewachsenen Systemlandschaften. Die Aufsicht betont daher, dass künftige Kapitalplanungen nicht nur ökonomische, sondern auch technologische Entwicklungen stärker einbeziehen müssen. Die EZB ruft die Banken dazu auf, ihre IT-Strategien an langfristige Belastungsszenarien anzupassen – auch unter Einbeziehung neuer Risiken aus Cloud-Nutzung, KI-basiertem Kreditentscheidungsmanagement und digitaler Vermögensbewertung.

Kapital stabil, Technik unter Druck

Der Stresstest 2025 zeigt, dass die Banken im Euroraum trotz wirtschaftlicher Unsicherheiten solide aufgestellt sind. Dennoch wird deutlich, dass Digitalisierung und technologische Widerstandsfähigkeit künftig entscheidend dafür sein werden, ob Institute Schocks nicht nur überstehen, sondern auch operativ handlungsfähig bleiben. Gerade in einem Umfeld beschleunigter Digitalisierung, wachsender regulatorischer Anforderungen und hybrider Bedrohungslagen wird die Modernisierung der IT-Architektur zur strategischen Kernfrage. Die EZB stellt dabei klar, dass Widerstandsfähigkeit nicht beim Kapital endet, sondern vielmehr zunehmend in der IT beginnt.

Der alle zwei Jahre durchgeführte Stresstest wird in enger Zusammenarbeit zwischen EBA, EZB, dem Europäischen Ausschuss für Systemrisiken und den nationalen Aufsichtsbehörden organisiert. BaFin und Bundesbank bringen sich sowohl bei der Weiterentwicklung der Methodik als auch bei der Durchführung des Stresstests ein. Darüber hinaus unterstützen sie die EZB bei der Überarbeitung der Empfehlungen zur Eigenmittelausstattung der Banken (Säule 2-Empfehlungen).tw

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert