MEINUNG24. September 2019

Deutsche Börse: „Die Google-Cloud wird unsere Innovationen vorantreiben“

Die Deutsche Börse hat in der vergangenen Woche angekündigt, in Kooperation mit Google Cloud-Services für Mitarbeiter und Kunden aufzusetzen. Das ist gleich aus mehreren Gründen bemerkenswert – denn zum einen hatte die Deutsche Börse erst kürzlich Microsoft für Cloud-Services ins Boot geholt, zum anderen sind Finanzinstitute und Börsenplätze im Hinblick auf den Einsatz der Cloud traditionell eher zurückhaltend. 

mathes / Bigstock
Das alles ist Grund genug für uns, einmal genauer nachzufragen – bei Michael Girg, der als Chief Cloud Officer verantwortlich für die Cloud-Aktivitäten der Deutschen Börse ist. Mit seinem Team steuert er die technische Implementierung und die organisatorischen Themen rund um die Cloud-Angebote der Deutschen Börse. Wir haben mit ihm am Rande des in München stattfindenden Google Cloud Summit exklusiv über die Kooperation mit Google gesprochen.

Warum hat sich die Deutsche Börse im Cloud-Bereich für die Kooperation mit Google entschieden?

Wir haben uns für die Implementierung einer Multi-Cloud-Strategie entschieden, wobei Google der zweite Partner ist, mit dem wir zusammenarbeiten – nachdem wir bereits im Juni eine Kooperation mit der Microsoft Cloud bekanntgegeben haben. Beide Partnerschaften decken auch die Migration von reguliertem Workload ab. Mit Google haben wir jetzt den zweiten starken Partner mit an Bord genommen. So sind wir gut aufgestellt und können Workloads auch zwischen unterschiedlichen Cloud-Partnern hin- und herbewegen, was uns die nötige Flexibilität bei der Erledigung unserer Aufgaben gibt.

Warum diese in vielerlei Hinsicht aufwändigere Multi-Cloud-Lösung?

Michael Girg: Diese Entscheidung hat zwei wichtige Gründe: Wir wollen nicht alle Themen nur in der Hand eines Anbieters wissen, sondern mehrere Kooperationspartner haben, insbesondere für kritische Workloads. Außerdem wollen wir die Services bei dem Partner nutzen, der sie am besten anbieten kann.

Wir haben für unsere Strategie in den kommenden Jahren einen Fokus auf der Weiterentwicklung von neuen Technologien: Das sind neben der Cloud-Technologie auch Distributed-Ledger-Technologie und Blockchain, der Bereich Automation und künstliche Intelligenz sowie Big Data und Analytics.”

Und all das sind Themen, bei denen wir Google sehr gut aufgestellt sehen. Microsoft hat wiederum andere Stärken, die wir spezifisch nutzen.

Warum setzen Sie auf US-Konzerne? Gibt es aus Ihrer Sicht schlichtweg keine europäischen Mitbewerber, die dasselbe leisten oder war die Herkunft des Partners für Sie nicht relevant?

Girg: Wir haben uns dazu entschlossen, mit den jeweiligen Marktführern zusammenzuarbeiten – und die kommen in diesem Bereich nun einmal aus Amerika oder aus China.

Was sind aus Ihrer Sicht die Vorteile, die die Cloud gegenüber dem eigenen Rechenzentrum mit sich bringt? Warum setzt die Deutsche Börse überhaupt auf die Cloud?

Google

Girg: Die Hauptvorteile sehen wir in der Agilität, also der Möglichkeit, Infrastruktur deutlich schneller und besser skalierbar bereitzustellen. Hinzu kommt, dass wir neue Funktionalitäten mit Hilfe der Cloud schneller entwickeln und zur Marktreife führen können. Wir werden dort, wo es möglich ist, die Services der Cloud Service Provider nutzen und sie nicht selbst entwickeln. Wir sehen außerdem die Chance, somit mehr zu automatisieren und die Effizienzen der Cloud zu nutzen. Und nicht zuletzt kann die Cloud Innovation vorantreiben. Sie ermöglicht uns, die bereits genannten neuen Schlüsseltechnologien zu implementieren, die ohne die Verfügbarkeit von unbegrenzter Rechenleistung, unbegrenztem Speicher und der Demokratisierung von Frameworks nur sehr viel schwerer auf- und umzusetzen sind.

Ist das der Anfang vom Ende der physischen Rechenzentren bei der Deutschen Börse oder wird die Cloud immer nur ein Teil der Gesamtstrategie bleiben? Können Sie ein angestrebtes Verhältnis zwischen On Premise und Cloud nennen?

Michael Girg, Chief Cloud Officer, Deutsche Börse Frankfurt
Deutsche Börse

Michael Girg ist als Chief Cloud Officer verantwortlich für die Cloud-Aktivitäten der Deutschen Börse ist. Mit seinem Team steuert er die technische Umsetzung sowie die organisatorische und regionale Einsatzbereitschaft eines Cloud Multi-Vendor-Portfolios. Michael Girg ist insgesamt verantwortlich für die Steuerung der verschiedenen Cloud-Adoptionsprojekte innerhalb der Gruppe Deutsche Börse. Zuvor leitete er die globale IT-Infrastruktur-Abteilung.

Girg: Das können wir so nicht beziffern, aber unsere Strategie ist nicht nur eine Multi-Cloud-Strategie, sondern eine Hybrid-Strategie. Wir werden aus heutiger Sicht und nach heutigem Stand die eigenen Rechenzentren für Workloads behalten, die das erforderlich machen – also beispielsweise beim Handelssystem T7, das eine sehr spezifische Latenzcharakteristik benötigt – kurze und sehr gleichförmige Latenzen – das sind Dinge, die heute in der Cloud nicht abgebildet werden können.

Wie haben denn die Kunden darauf reagiert? Gibt’s da auch Bedenken oder waren die alle begeistert? Und was hat die BaFin als Regulierungsbehörde dazu gesagt?

Girg: Auch für die Finanzwirtschaft ist das Thema teilweise noch Neuland, aber wir haben von vielen Kunden Zuspruch bekommen und sind ermuntert worden, diesen Weg zu gehen.

Ich glaube, dass viele unserer Kunden in ihrem eigenen Umfeld in einer sehr ähnlichen Situation sind, dass sie die Public Cloud nutzen wollen und müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben – und dass die schon deshalb sehr genau schauen, was wir machen.”

Mit der BaFin sind wir im engen Dialog, um sicher sein zu können, dass wir alle relevanten Compliance-Themen und regulatorischen Anforderungen berücksichtigen. Unsere Strategie ist hier, dies im Vorfeld abzustimmen und eine gemeinsame Basis dafür zu legen.

Wie stellen Sie sicher, dass Datenschutz und Privacy ausreichend gewährleistet sind? Und wie halten Sie es mit dem Standort der Daten?

Girg: Wir nutzen für unsere Workloads konsequent die EU-Rechenzentren, weil wir über Deutschland hinaus eine Redundanz haben wollen. Wir setzen zusätzlich Bring-Your-Own-Key (BYOK) ein, um die Daten unsererseits noch einmal zu verschlüsseln – zusätzlich zur Basisverschlüsselung, auf die Google standardmäßig setzt. Bei dem Bring-Your-Own-Key-Konzept generieren wir den Schlüssel On Premise und legen ihn sicher ab.

Herr Girg, vielen Dank für das Interview. tw

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert