Anzeige
MEINUNG20. November 2019

Burkhard Balz: „Wir müssen mit einer europäischen Zahlungslösung mehr Europa wagen“

Deutsche Bundesbank

Anlässlich der Euro Finance Week, die in dieser Woche in Frankfurt stattfindet, hat Bundesbankvorstand Burkhard Balz eine Rede zur Zukunft der europäischen Zahlungslösungen gehalten. Im Rahmen seines Impulsvortrags „Zeitenwende im Zahlungsverkehr: Wo bleibt Europa?“ machte Balz deutlich, dass es der schlechteste aller Wege sei, den Begehrlichkeiten der großen Digitalkonzerne nachzugeben und deren Zahlungsverfahren nichts entgegen zu setzen. Dann nämlich bestehe die Gefahr, dass die Banken ihre Deutungshoheit in Gelddingen aufs Spiel setzen. 

Die Digitalisierung schafft neue Herausforderungen für den Zahlungsverkehr. Während es früher nur um die reibungslose Abwicklung zwischen den kontoführenden Banken ging, müssen moderne, digitale Payment-Lösungen möglichst reibungslos, kundenfreundlich und nicht spürbar integriert sein. Neben Bargeld gewinnen in diesem Kontext bargeldlose Verfahren zunehmend an Bedeutung, wie Burkhard Balz betonte. Der für Zahlungsverkehr und Abwicklungssysteme zuständige Vorstand der Bundesbank machte deutlich, dass insbesondere digitale Handelsplattformen den Markt und die Rolle der Banken und Zahlungsdienstleister verändert haben.

Wie komfortabel das digitale Bezahlen funktionieren kann, machen beispielsweise chinesische Big Techs vor. Zahlungsdaten können prima verwendet werden, um das ohnehin schon umfassende Wissen über die Nutzer zu komplettieren. Das ermöglicht maßgeschneiderte Angebote für Käufer sowie detaillierte Analysen für Dritte und macht die datengetriebenen Geschäftsmodelle noch lukrativer.“

Burkhard Balz, Vorstand Bundesbank

Neben den chinesischen Playern spielen hier insbesondere US-amerikanische Digitalkonzerne wie Google und Apple, aber zunehmend auch Amazon, eine wichtige Rolle. Nationale Initiativen, etwa die Girocard, seien dagegen zu kleinteilig, sodass die Skalierung in einen globalen Markt nicht denkbar sei.

Engagement der Digitalkonzerne als Alarmsignal für Banken

Hinzu komme, dass die genannten Digitalkonzerne durch eine wachsende Produktpalette an Finanzdienstleistungen in den Jagdgründen der Banken wildern: „Apple hat schon länger eine Kreditkarte im Angebot. Und Amazon Lending vergibt seit einiger Zeit Kredite an seine Händler beispielsweise in den USA und Großbritannien.“ Für die Banken und Zahlungsdienstleister müsste das ein Alarmsignal sein: Zwar wickelten bei vielen dieser heutigen Initiativen immer noch Banken die nötigen Prozesse ab – vergleiche die Apple Card mit Goldman Sachs oder Facebook möglicherweise mit der Citibank – doch die Kundenschnittstelle liegt bei den Plattformen, die einen Profit aus den gewonnenen Nutzerdaten schlagen können.

Zahlungsdaten können prima verwendet werden, um das ohnehin schon umfassende Wissen über die Nutzer zu komplettieren. Das ermöglicht maßgeschneiderte Angebote für Käufer sowie detaillierte Analysen für Dritte und macht die datengetriebenen Geschäftsmodelle noch lukrativer.“

Burkhard Balz, Vorstand Bundesbank

Dass die Digitalkonzerne ihre Payment-Anhängsel vor allem zur Optimierung der Customer Journey nutzen, ist klar – es könne aber mittelfristig zu einer Veränderung im Gleichgewicht der Kräfte führen. Zudem werden die Smartphone-Hersteller und Unternehmen, die hinter den Betriebssystemen stehen – namentlich also Apple und Google zu echten Gatekeepern, auch weil die Plattformen für die Kunden aufgrund der bequemen Bedienung inzwischen nahezu alternativlos geworden sind. „Denken Sie nur an WhatsApp oder die Google Suche. Die Sogwirkung aus dem Zusammenspiel von Netzwerk-, Skalen- und Verbundeffekten ist enorm. Auf diese Weise nimmt die Marktmacht der Plattformen weiter zu, aber ebenso die Gefahr von Monopolbildungen.“

Banken in Zugzwang: Verlust der Markthoheit droht

nina.kuffer/relatio-pr

Geäußert hat sich Balz auch zu der Libra-Initiative von Facebook. Er machte deutlich, dass hieraus das größte jemals existierende, private, bankenunabhängige Bezahlsystem der Welt entstehen würde – und ein Maximum an Unsicherheit, nicht nur in der Überwachung und Aufsicht: „Nach den bisher vorliegenden Informationen würde der Besitz eines Libra-Tokens wohl keinen einklagbaren Anspruch auf den Gegenwert in einer der Währungen des geplanten Währungskorbs umfassen.“

Die Zeitenwende im Zahlungsverkehr werfe, so Balz, zahlreiche Fragen auf, insbesondere was die Grenzen zwischen Finanzdienstleister und technischem Dienstleister betreffe. Hier könne eine verpflichtende Öffnung von Schnittstellen helfen, die für die Auslösung von Zahlungen etwa über das Smartphone essentiell sind. Ein entsprechender Änderungsantrag zur Novellierung der Vierten Geldwäscherichtlinie wurde vor einer Woche im Bundestag verabschiedet.

Die Kartellbehörden müssen überprüfen, ob die bestehenden Instrumente noch geeignet sind, um auf die wachsende Marktmacht von Big Techs zu reagieren. Dieser Sorge trägt der im Oktober vorgelegte Referentenentwurf zur zehnten Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkung (GWB) umfassend Rechnung. Er sieht unter anderem vor, die Bewertungskriterien für den Missbrauch von Marktmacht zu modernisieren.“

Burkhard Balz, Vorstand Bundesbank

Gleichzeitig hält Balz Verbote nicht für das geeignete Mittel, auf die neuen Herausforderungen zu reagieren. Er rät eher dazu, Alternativen zu schaffen, bei denen die Kunden Herr über ihre Daten bleiben und selbst über deren Verarbeitung und Aufbereitung entscheiden können.

Wir müssen im Zahlungsverkehr mehr Europa wagen. Wir brauchen eine europäische Alternative, um fairen Wettbewerb aufrecht erhalten zu können. Wir müssen uns auf unsere eigenen Stärken besinnen. Wir dürfen nicht nur Zeuge der „Zeitenwende im Zahlungsverkehr“ sein, sondern müssen diesen Markt weiter aktiv gestalten.“

Burkhard Balz, Vorstand Bundesbank

Gutes Zeugnis für die Girocard – aber nur auf deutscher Ebene

Dabei sei die Kreditwirtschaft, gerade in Deutschland, auf dem richtigen Weg, etwa auf der Basis der Girocard, die überdurchschnittliche Wachstumsraten beim kontaktlosen Bezahlen verzeichne und sich zukünftig in Mobile-Betriebssysteme integrieren lasse. „Ich begrüße es sehr, dass damit versucht wird, die verschiedenen Anwendungen der Kreditwirtschaft für die Kasse, den E-Commerce und P2P-Zahlungen zu überprüfen und weitgehend zusammenzuführen. Denn ein geschlossenes Auftreten ist im Wettbewerb mit globalen Marken entscheidend.“

Das alles werde aber nicht ausreichen. Erforderlich sei es vielmehr, das europäische Ausland mit einzubeziehen, etwa aus Frankreich, den Niederlanden oder Schweden. Denn hier seien jeweils bargeldlose Verfahren am Markt, die im jeweiligen Land hochgradig erfolgreich, im Ausland jedoch weitgehend unbekannt sind.

In einem immer stärker vernetzten, digitalen Europa soll es nicht so sein, dass die Markteilnehmer lieber auf die Zahlungslösungen der BigTechs zurückgreifen, weil diese bequemer und weltweit verfügbar sind. Stattdessen sollte es künftig möglich sein, in ganz Europa mit derselben Smartphone-App oder Zahlungskarte offline wie online und P2P zu zahlen. Mit 500 Millionen Europäern kann auch dessen globale Akzeptanz auf Augenhöhe verhandelt werden.“

Burkhard Balz, Vorstand Bundesbank

Einheitliche europäische Standards und PSD2 als gute Grundlage

Als Grundlage könnten hier die im Euro-Zahlungsverkehr weitgehend einheitlichen Standards, insbesondere im Instant-Payments-Kontext verstanden werden, um Lösungen für verschiedenste Bezahlsituationen zu entwickeln. Dabei erweist sich auch die PSD2 als gute Grundlage für offene Schnittstellen und offene APIs bei allen Instituten in Europa. Kreditinstitute könnten auf dieser Basis Zahlverfahren mit europaweiter Reichweite aufbauen.

Verschiedene Banken arbeiten hier an universell einsetzbaren Zahlungslösungen, die sich aber erst einmal etablieren müssten – „ein echter Kraftakt“. Diese könne nur gelingen, wenn das neue System wirklich besser sei und mit einem tragfähigen Geschäftsmodell daherkomme. „Dabei wäre sicher eine regulatorische Unterstützung hilfreich, die auch künftig den Besonderheiten des sogenannten „Vier-Parteien-Modells“ Rechnung trägt. Außerdem müssen Händler und Kunden überzeugt werden.“

Klar ist: Niemand werde ein neues Verfahren ohne echten USP nur um seiner selbst willen nutzen – und das Label „europäisch“ wird hier nicht ausreichen.„Daher ist es sinnvoll, die breite Akzeptanz der vorhandenen nationalen Lösungen für das neue europäische Verfahren zu nutzen. Wenn Käufer damit überall bezahlen können, das Ganze schnell, sicher und bequem funktioniert sowie mit Mehrwerten überzeugt, dann stehen die Chancen gut.“ Nicht erstrebenswert und die schlechteste Lösung sei hingegen, den Digitalkonzernen das Feld zu überlassen.

Der vollständige Text der Rede von Bundesbankvorstand Burkhard Balz kann hier eingesehen werden. tw

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert