ZAHLUNGSVERKEHR19. Dezember 2023

LegalTech EuGD will Klagewelle gegen die Schufa lostreten

Schufa

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat vor einigen Tagen in zwei wegweisenden Urteilen das Scoring-System der Schufa und deren bisherige Datenspeicherungs­praxis mit Blick auf Privatinsolvenzen mit strikten Vorgaben weitestgehend unterbunden. Betroffene Verbraucher, die auf­grund des Schufa-Scorings etwa bei der Vergabe von Krediten oder dem Abschluss von Mobilfunkverträgen diskri­miniert wurden oder deren Restschuldbefreiung von der Schufa gespeichert wird, können jetzt klagen – und erwartungsgemäß ruft das die einschlägigen LegalTechs auf den Plan, die mit reichlich Automatisierung solche Prozesse (in juristischer wie technischer Hinsicht) für sich und ihre Kunden entscheiden wollen.

Im ersten der beiden Urteile hat der EuGH entschieden, dass das Scoring bzw. Profiling der Schufa gegen die Europäische Daten­schutzgrund­verordnung (DSGVO) verstößt, wenn die Unternehmen – etwa Banken oder Energieversorger – ihm eine maßgeb­liche Rolle beimessen und allein auf Basis von automatisiert verarbeiteten Daten und ohne menschliches Zutun beispielsweise über die Kreditvergabe an Verbraucherinnen und Verbraucher entscheiden. Im zweiten Vorlageverfahren entschied der EuGH, dass die lange Zeit gängige Praxis der Schufa, Informationen zu Restschuld­befreiun­gen von Privatpersonen drei Jahre lang zu speichern, unzulässig sei. Die Entscheidung über die grundsätzliche Zulässigkeit der Speiche­rung dieser Daten durch eine kommerzielle Auskunftei wie die Schufa verwies der EuGH zur Entscheidung an das Verwaltungs­gericht Wiesbaden zurück, wo Klage dagegen eingereicht worden war.

„Schonfrist vorbei“: EuGD startet Klagewelle gegen die Schufa

Mit den beiden Urteilen im Rücken startet EuGD jetzt eine Klagewelle gegen die Schufa. Die selbsternannte „Europäische Gesellschaft für Datenschutz“ ist seit 2019, anders als der Name suggeriert, keine offizielle oder gar staatliche Instanz, sondern ein LegalTech und die Betreiberin des gleichnamigen Portals EuGD.org. Man wolle Verbraucher bei der Durchsetzung von Rechtsansprüchen aus Verstößen gegen die DSGVO unterstützen.

Das LegalTech unterstützt bei der Geltendmachung von Schadensersatz (materiell und immateriell) und hat bereits eine erste Klage eines betroffenen Verbrauchers gegen die Schufa beim Landgericht Wiesbaden eingereicht. Die Klage zielt auf die Unterlassung rechtswidrigen Scorings und rechtswidriger Datenverarbeitung, die vollständige Auskunft über die zum Verbraucher gespeicherten Daten, die Information aller Vertragspartner der Schufa über mangelnde Verkehrsfähigkeit der Scores und auf Schadenersatz wegen Datenschutzverstößen.

Peter Hense, Datenschutzrechtsexperte und Partner bei der Kanzlei Spirit Legal sowie von EuGD beauftragter Klägervertreter, erklärt: „Die Schonfrist für die SCHUFA ist vorbei. Der EuGH ziehe einen Schlussstrich unter ein seit Jahren rechtswidriges Geschäftsmodell.

Spirit Legal

In Europa besteht kein Recht darauf, Bürgerinnen und Bürger massenweise automatisiert und ohne triftigen Grund hin auf politische oder wirtschaftliche Zuverlässigkeit hin zu bewerten und zu profilieren und solche willkürlichen Werte zu kommerzialisieren.”

Peter Hense, Partner bei der Kanzlei Spirit Legal

Der Mensch dürfe nicht der Maschine unterworfen werden, erklärt der Jurist mit plakativen Worten. Wir seien schließlich nicht China und haben Grundrechte.

Problematische Aufgabe – Datenbasis der Schufa bereinigen

Ein weiteres, seit Jahren bestehendes Problem der Schufa ist die häufig fehlerhafte Datenbasis. Diese Mängel in der Datenqualität unterminieren zusätzlich die Zuverlässigkeit der bereits per se zweifelhaften Schufa-Scores. Diese rechtswidrigen Schufa-Scores hätten ihre toxische Wirkung entfaltet, indem sie von verschiedenen Unternehmen – von Banken über Versicherungen bis hin zu E-Commerce-Unternehmen – als verlässliche Indikatoren angesehen wurden. Eine Annahme, die sich nun als falsch herausstellt.

Die Schufa steht, so fährt der Jurist fort, zudem vor der anspruchsvollen Aufgabe, ihre Datenbasis gegenüber Verbrauchern zu bereinigen. Hinzu kommt, dass sie bislang fehlende Erklärungen zur sogenannten ‚Logik‘ des Schufa-Scores nachzuliefern hat. Gleichzeitig muss sie sich gegen Vorwürfe verteidigen, dass ihre rechtswidrigen Scores über lange Zeiträume wirtschaftliche Fehlentscheidungen verursacht haben. „Diese umfassen unter anderem die unberechtigte Verweigerung von Vertragsabschlüssen und die Festsetzung willkürlich höherer Zinssätze für Kredite.“

Die Auswirkungen der exzessiven Datensammlung und Auswertung durch die Schufa betreffen fast alle und wurden endlich eingeschränkt. Es liegt jetzt an den Verbrauchern, ihre Rechte geltend zu machen. Der Klageauftakt durch EuGD ist gemacht, jetzt muss jeder Einzelne handeln.”

Thomas Bindl, Gründer und Geschäftsführer EuGD

Das LegalTech-Startup EuGD hilft bei der Durchsetzung der Ansprüche, insbesondere bei der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen, ohne Kostenrisiko für die Verbraucher. In der Vergangenheit hat das Unternehmen schon bei einigen Prozessen rund um Datenschutzverletzungen (aufgrund einer Veruntreuung von Daten) bei Scalable Capital unterstützt und für klagewillige Verbraucher auch gegen Mastercard eine Entschädigung im Streit um das Datenleck des Bonusprogramms „Priceless  Specials“ erstritten.tw

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