SB & FILIALE9. Dezember 2019

Sicheren und effizienten Bargeldkreislauf in Zeiten der Veränderung erhalten

Dr. Johannes Beermann, Mitglied im Vorstand der Deutschen Bundesbank
Deutsche Bundesbank

Am 4. Dezember sprach Dr. Johannes Beermann, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank, in Pretoria bei der South African Reserve Bank über die Aufgaben aller Beteiligten für die Aufrechterhaltung eines sicheren und widerstandsfähigen Bargeldkreislaufs in Zeiten von Digitalisierung und Niedrigzinsen. Eine deutsche Zusammenfassung seiner englischen Rede.

von Dr. Johannes Beermann, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank

Ökonomen denken oft an das Kreislaufmodell. In seiner elementarsten Form zahlen Unternehmen Löhne an die Kunden, die im Gegenzug Waren von Unternehmen kaufen. Ökonomen sind mit diesem Grundprinzip sehr gut vertraut: den Warenströmen entsprechen Geldströme mit identischem Wert – einfach in entgegengesetzter Richtung.

Diese Denkweise geht auf den Arzt François Quesnay im 18. Jahrhundert zurück, der die ökonomischen Dinge um sich herum beobachtete und dabei an den Fluss des Blutes im menschlichen Körper erinnert worden sei.

Wir Zentralbanker sprechen über Geldströme. Aber die Parallelen zum Blutkreislauf sind klar zu erkennen. Auch in der Welt des Bargelds ist es entscheidend für das System als Ganzes, dass jedes einzelne beteiligte Organ richtig und koordiniert funktioniert.

Die Bargeldnutzung in Südafrika und Deutschland bleibt hoch. Die Nachfrage nach Bargeld steigt. Aber die Zeiten ändern sich. Kontaktlose Zahlungsarten werden in beliebter. Geschäftsbanken kämpfen mit ihren bestehenden Geschäftsmodellen. Vorausschauend müssen Zentralbanken sicherstellen, dass ihre Bargeldsysteme gebrauchstauglich sind.

Interne Kosteneffizienz im Bargeldkreislauf

Bargeld bleibt die am häufigsten verwendete Zahlungsmethode in Deutschland. Drei von vier Käufen an der Kasse werden bar bezahlt. Deutsche Haushalte schätzen Bargeld. Wir müssen also eine adäquate Bargeld-Infrastruktur aufrechterhalten. Es ist schließlich der Gesetzesauftrag der Bundesbank, die reibungslose Funktion von Zahlungstransaktionen und Zahlungssystemen zu fördern.

Die Bundesbank ist ein integraler Bestandteil im Bargeldkreislauf in Deutschland, aber wir sind nicht alleine. Die interne Funktionsweise des Bargeldkreislaufs basiert auf einer Kooperation und Koordinierung zwischen Zentralbank, Geschäftsbanken, Geldtransportunternehmen und Händlern.

Alle Akteure im Bargeldkreislauf müssen zusammenarbeiten und gewährleisten, dass Handhabung und Verteilung von Bargeld im Hinblick auf die Kosten effizient bleibt.

Was bedeutet das? Mit der zunehmenden Vielfalt der Bezahlungsvarianten werden die zugrundeliegenden Kostenstrukturen zunehmend hinterfragt. Die Bundesbank veröffentlichte kürzlich eine Vergleichsstudie zu den Kosten verschiedener Zahlungsmethoden im deutschen Einzelhandel. Es stellte sich heraus, dass zumindest auf Transaktionsbasis die Barzahlung kostengünstiger ist als eine Bezahlung mit Debit- oder Kreditkarte.

Aber mit den durch die Regulierung verringerten Kosten bei Kartenzahlungen sowie dem Anstieg kontaktloser Zahlungsverfahren könnte sich diese Lücke schließen.

Gleichzeitig besteht die Gefahr, zugrundeliegende Kostenstrukturen fehlerhaft zu messen, falls wir nicht berücksichtigen, dass die Transaktionskosten einfach weniger deutlich werden. Kunden geben bei Kartenzahlungen und kontaktlosen Zahlungen persönliche Daten preis, so dass in gewisser Weise Kosten zu ihnen hin verschoben werden. Die Regulierung muss möglicherweise berücksichtigen, wie damit aus Sicht des Kundenschutzes umzugehen ist.

Die Kostenbetrachtung für die Handhabung und Verteilung von Bargeld ist ein Aspekt, wie Effizienz erhalten wird. Das erfordert sensible Investitionen. Alle Beteiligten entlang der Bargeld-Wertschöpfungskette sind gemeinsam gefragt und müssen sicherstellen, dass Prozesse automatisiert und schnell sind.”

Kreditinstitute in Deutschland ersetzen beispielsweise herkömmliche Geldautomaten mit Geräten, die Kunden zum Ein- und Auszahlen von Bargeld verwenden können. Ein Drittel aller rund 60.000 Geldautomaten in Deutschland sind bereits durch solche modernisierte Geräte ersetzt.

In Einzelhandel werden immer mehr automatisierte Kassensysteme und Backoffice-Systeme entwickelt. Steigende Kosten der Bargeldabwicklung werden wahrscheinlich Geldtransportunternehmen dazu bringen, in effizientere und automatisierte Prozesse zu investieren.

Schließlich müssen die Zentralbanken weiter in die langfristige Nachhaltigkeit ihrer eigenen Prozesse investieren. Als Bundesbank haben wir einerseits zahlreiche unserer Bargeld-Verarbeitungsmaschinen in unserem Filialnetz modernisiert.

Zweitens sind wir dabei, unser neues und modernstes Bargeldzentrum in Dortmund einzurichten. Diese Filiale soll Aufgaben zusammenführen, die bisher von fünf anderen Niederlassungen ausgeführt worden sind. Es wird mit automatisierten Transportfahrzeugen und Hochregallagern ausgestattet sein.

Diese erheblichen Investitionen in die bestehende Bargeld-Infrastruktur sind notwendig, damit Bargeld eine der möglichen Zahlungsoptionen für die Kunden bleibt, die sie für ihre alltäglichen Transaktionen wählen können.

Externe Belastbarkeit für den Bargeldkreislauf

Der Bargeldkreislauf ist ein weitgehend geschlossenes System. Ein reibungsloser und effizienter Ablauf von innen heraus ist die Grundlage. Aber dies alleine ist wenig nützlich, falls das System nicht widerstandsfähig gegenüber äußeren Einflüssen ist.

Ein Beispiel dafür sind Versuche, gefälschte Banknoten in den Umlauf zu bringen. Die gute Nachricht: im Euroraum ist deren Erfolg sehr begrenzt. Mit der neuen Serie der Euro-Banknoten wurden erweiterte Sicherheitsmerkmale eingeführt. Damit ist wieder ein Vorsprung gegenüber den Fälschern gewährleistet. Zudem sind die neuen Banknoten haltbarer als die erste Serie. Ein frecheres Beispiel äußerer Angriffe ist das Anbringen von Sprengstoffen an Geldautomaten.

Die Aufbewahrung von Werten – egal ob elektronisch oder physisch – wird immer illegale Aktionen anziehen. Sicherheitsvorkehrungen werden tendenziell künftige Vorschriften beeinflussen. Regulierungen erzeugen Kosten. Das ist ein offensichtlicher Kompromiss.”

Nur einem sicheren Bargeldkreislauf vertrauen die Haushalte. Vertrauen ist besonders in Krisenzeiten wichtig. Bargeld ist von Natur aus immun gegen Stromausfälle, gestörte Zahlungssysteme oder auch großräumige Cyber-Angriffe. Wir beobachten scharfe Anstiege der Bargeldnachfrage in Regionen, die beispielsweise von Erdbeben oder Hurrikanen betroffen sind.

Ein sicherer und widerstandsfähiger Bargeldkreislauf kann in Zeiten ökonomischer Unsicherheit als Polster für die Haushalte dienen. Bargeld erreicht das durch eine Verbindung zwischen den Haushalten und der Zentralbank. Bislang war diese Verbindung physischer Art und erfolgte größtenteils über Geschäftsbanken.

Nach meiner Ansicht ist es wichtig, ein greifbares Zahlungsmittel zu haben. Außerdem ist Bargeld leicht verständlich und unabhängig vom Alter oder Zugang zu Finanzdienstleistungen einsatzbereit. Bargeld begrenzt die finanzielle Inklusion nicht, wie dies manchmal behauptet wird, es erweitert sie.”

Im Umfeld niedriger Zinsen und fortwährender Digitalisierung wandelt sich auch der heimische Bankensektor. Die Anzahl der Bankfilialen sinkt. Solche strukturellen Veränderungen können neue Herausforderungen für den Bargeldkreislauf in Deutschland darstellen.

Beispielsweise bieten immer mehr Händler elementare Bankdienstleistungen wie Ein- oder Auszahlungen von Bargeld an. Das erfordert jedoch auch Mitarbeiter und Akteure, die etwa bei der Erkennung gefälschter Banknoten ausreichend geschult sind. Die Bundesbank bietet Schulungswerkzeuge für diesen Lernprozess an.

Fazit

Wie überall erlebt auch Deutschland eine allmähliche Abnahme der Bargeldnutzung. Dennoch bleibt es beliebt. Der Löwenanteil des in Deutschland gehaltenen Bargelds dient nicht für Einkäufe, sondern zur Aufbewahrung als Wert. Der Aufwand dafür ist derzeit gering.

Solange die Bargeld-Infrastruktur in Deutschland intakt bleibt, bleibt auch das Bargeldsystem des Landes stabil. Das bedeutet, Haushalte können so viel (oder so wenig) Bargeld halten, wie sie wollen.

Ein widerstandsfähiger und effizienter Bargeldkreislauf ist nicht umsonst zu haben. Er erfordert ein entsprechendes Maß an Regulierung und Investition. Aber ein gesundes System erzeugt im Gegenzug Vertrauen in seine Funktionsfähigkeit und Robustheit.

Vertrauen steht im Zentrum des Währungssystems und dient als Grundlage für alle stabilen Währungen.

Die vollständige englische Rede können Sie hier nachlesen.pp

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