MEINUNG4. Juni 2018

PSD2: „New Deal“ für die Banken ist eine Chance für mehr Internationalisierung

Tanaonte / BigStock

Die PSD2-Richtlinie wird von vielen Banken noch immer vornehmlich als ein Risiko und ein Hemmschuh für die Bankenwelt verstanden – schließlich öffnet sich so der Markt auch für externe Anbieter aus dem FinTech-Lager. Dabei lässt sich aus der tiefgreifenden Veränderung, die die Payment Service Directive mit sich bringt, auch ein immenses Potenzial ableiten, eröffnet der „new deal“ der europäischen Bankenwirtschaft doch Chancen auf eine Skalierung und Internationalisierung des eigenen Geschäfts. Banken, die diese Chance nutzen, können dadurch in jeder Hinsicht mit den großen internationalen Payment-Dienstleistern mithalten und stellen ihr Geschäft auf eine gänzlich neue Grundlage.

Gerade in den letzten Monaten kursieren zahlreiche Szenarien und Zukunftsvisionen, wie sich die Bankenwelt in den nächsten Jahren verändern könnte: Kommt es zu einer Umstrukturierung der Banken oder zu einem gänzlich neuen System, in dem die klassischen Banken und Sparkassen gar nicht mehr vorkommen oder zu reinen Dienstleistern werden? Welche Rolle spielen die Vertreter der FinTech- und InsurTech-Szene? Sind sie die wahren Pacemaker oder eher wendige Beiboote, die im Windschatten der Banken Fahrt aufnehmen können – oder werden sie gar nur reine Dienstleister der Etablierten sein? Und welche Rolle werden die Payment-Dienstleister spielen, die bereits in den letzten Jahren zu einer festen Größe geworden sind?

Immerhin werden die Kunden und ihre Bedürfnisse, soviel scheint sicher, den Kurs vorgeben, in den sich die Branche entwickeln wird. „Entscheidend für die Entwicklung werden einerseits die Kundenbedürfnisse sein – denken Sie beispielhaft an die Generation Smartphone, die kaum je eine Bankfiliale von innen gesehen hat. Im zweiten Schritt ist die Reaktion der Finanzdienstleister auf diese Bedürfnisse entscheidend”, ist sich etwa der scheidende Bundesbankvorstand Dr. Andreas Dombret sicher.

Eine besondere Rolle wird dabei die PSD2-Richtlinie spielen, die Geldtransfers bequemer und für den Kunden billiger macht. Sie stellt eine Herausforderung für die Kreditinstitute dar, die das Verhältnis zwischen den Banken, ihren Kunden und anderen Unternehmen neu definiert. Fintechs wie etwa Konto-Aggregatoren profitieren hier von dem Informationsgewinn und den zusätzlichen Einblicken in die Daten mehrerer Konten eines Anbieters. Doch auch Banken, die beispielsweise in ihren Apps dem Kunden den Service bieten, seine übrigen Konten mit abzufragen oder entsprechende Push-Optionen auszuführen, können hier profitieren.

Beziehungen beleben zwischen Bank, Endkunde und Handel

Dabei ist aber gerade für die etablierten Banken und Sparkassen jetzt Umdenken angesagt. Sie können PSD2 entweder als Bürde verstehen und halbherzig umsetzen oder aber sie begreifen die Direktive als neue Chance für eigene Dienstleistungen, die von den neuen Freiheiten profitieren (zu denen übrigens auch die aktuell so unbeliebte DSGVO einige Rechtsunsicherheiten beendet!).

So kann die PSD2 nicht nur zu einer Belebung der Beziehung zwischen Banken und Endkunden, sondern auch zwischen Banken und Handelspartnern, etwa den großen Einzelhandelsketten beitragen. Die PSD2 bietet etwa die Chance für die Banken, ein Versäumnis der Vergangenheit ausmerzen: die Flanke des POS, die man in den letzten Jahren eher unbewusst anderen Dienstleistern und den Kreditkartenbetreibern überlassen hat. Gerade hier kochen selbst große Handelsketten, die ansonsten gut international aufgestellt sind, in jedem Land zwangsläufig ihr eigenes Süppchen mit einem jeweils eigenen Koch, respektive Netzdienstleister – und das mit unterschiedlichen Rezepten, sprich: unterschiedlichen technischen Standards und Protokollen, um im Bild zu bleiben.

Last not least kommen in vielen Fällen immer noch unterschiedliche POS-Terminals mit uneinheitlichen Softwarelösungen zum Einsatz, die im Falle eines Updates aufwendig einzeln aktualisiert werden müssen. Für den Handelskunden ist es daher schon ein Fortschritt, wenn ein PSP einheitliche Terminals anbietet, deren Aktionen über E-Commerce-Plattformen, also channel-übergreifend abgewickelt werden. Händler könnten so in Zukunft dank der PSD2 schnell und übersichtlich ihre sämtlichen Zahlvorgänge zusammenführen. „Echtes Omnichannel-Payment gibt einerseits dem Händler mehr Überblick über seine Transaktionen und erlaubt andererseits, Zahlungen über die Kanäle hinweg zu bearbeiten, zum Beispiel für Online-Gutschriften von POS-Zahlungen“, so die Erfahrung von Ralf Gladis, CEO des PSP Computop. Diese E-Commerce-zentristische Sichtweise, die eine ERP-Anbindung ermöglicht, ist, für viele Händler, die multi-channel-orientiert denken (und für die in aller Regel der E-Commerce einen immer höheren Stellenwert bedeutet), schlüssig und logisch.

Faktor Internationalisierung: Grenzübergreifend immer wichtiger

Bemerkenswert ist allerdings, wie sehr die meisten Banken selbst im vereinigten Europa auf ihrer rein nationalen oder gar regionalen Sichtweise beharren – und das nicht von ungefähr: Denn selbst auf der vergleichsweise nivellierten EU-Ebene bleibt eine Vielzahl an rechtlichen Hürden und Herausforderungen. Die komplexen Regulierungsvorschriften, die sowohl der Banken- und Kreditwirtschaft als auch der Versicherungsbranche bereits auf nationaler Ebene viel abverlangen, sorgen zugleich dafür, dass oftmals internationale Märkte außerhalb des Euro-Zahlungsraums gar nicht angegangen werden können. Dennoch mangelt es nicht an Projekten, die gerade den internationalen Zahlungsverkehr beschleunigen sollen, etwa das von der Europäischen Zentralbank entwickelte TIPS-System (Target Instant Payment Settlement), mit dem die Währungshüter die Integration im Euroraum vorantreiben wollen und eine zahlungstechnische „Kleinstaaterei“ beenden wollen.

Schon weil hierfür die notwendigen Ressourcen und das Know-how in Bezug auf die jeweiligen rechtlichen Rahmenbedingungen fehlen, aber auch aus Haftungsgründen fokussieren sich die meisten Geldhäuser daher auf „ihren“ Kernmarkt. Die erste wichtige Entscheidung im Hinblick auf die Internationalisierung ist daher zunächst für die Banken die Frage „make or buy?“. Nicht nur mittelständische Institute sind gut beraten, auf passende Whitelabel-Lösungen zu setzen, die von diversen Dienstleistern und Beratungsunternehmen schon heute bereitgestellt werden. Dass gerade von Seiten des Handels entsprechende grenzüberschreitende Lösungen gefordert sind, ergibt sich beispielsweise aus einer globalen E-Commerce-Studie des Technologieanbieter Pitney Bowes, wonach immerhin sieben von zehn Kunden auch grenzübergreifend online einkaufen – Tendenz steigend.

Vertrauensfrage: Banken als Mittelsmann zwischen Händler und Kunde

Für die Banken ist die Ansprache großer Handelsketten (ebenso wie der Endkunden) indes ohnehin oft leichter als etwa für FinTech-Start-ups: Sie agieren seit vielen Jahren mit den Kunden einerseits und den Händlern andererseits auf Augenhöhe und genießen schon aufgrund dieser Kundenbeziehung  ein Vertrauen und eine Glaubwürdigkeit, die sich ein FinTech erst mühsam erarbeiten muss. Und die Banken kennen in den meisten Fällen die finanziellen Rahmenbedingungen der Kunden sehr gut – genauer jedenfalls als etwa ein Payment-Service, der naturgemäß nur über eine begrenzte Sichtweise verfügt. Und noch etwas kommt hinzu: Viele der mit den Banking-Angeboten konkurrierenden Payment-Lösungen gehören zu amerikanischen Konzernen und Big Techs, denen gerade in letzter Zeit aus vielerlei Gründen vor allem deutsche Kunden weniger Vertrauen entgegenbringen als ihrer Hausbank.

Wildwuchs bei den RTS: (Noch) keine Standards in Sicht

Doch noch etwas spricht aus Sicht der Banken dafür, statt der Entwicklung einer eigenen Lösung auf Whitelabel-Angebote von Dienstleistern zu vertrauen: Die RTS, also die regulatorischen technischen Standards, die der Gesetzgeber (in diesem Fall auf europäischer Ebene) vorgibt, sind bisher mehr als vage gehalten. Was man mit viel Wohlwollen als Gestaltungsspielraum verstehen kann, hängt in vielen Fällen schlichtweg damit zusammen, dass vielfach noch unklar ist, welche Strukturen und Schnittstellen in Zukunft überhaupt sinnvoll sein werden. Fragt man aber in der Bankenwelt nach, ist gerade das der Grund für vielfache Unsicherheit, Zögern, Abwarten. Lieber, so erklärt ein Payment-Experte, tue man gar nichts, als hinterher gegenüber der Geschäftsführung oder dem Aktionären zugeben zu müssen, dass man aufs falsche Pferd gesetzt hat. Die Folge ist nämlich zumindest zum jetzigen Zeitpunkt noch ein regelrechter Wildwuchs an Schnittstellen und Protokollen, die teilweise auf nationaler Ebene bestehen und bei Weitem nicht alle miteinander kompatibel sind. Fokussierte Dienstleister und Consultants verfügen hier im Idealfall über die nötigen Vergleichsgrößen und Einblicke in andere Unternehmen.

Eine Vertrauensfrage ist dabei auch das Thema IT-Sicherheit im Zusammenhang mit den genutzten Schnittstellen. Denn die Haftung bleibt, so sieht es die PSD2 vor, bei der Bank als für die Authentifizierung zuständiger kontoführendem Finanzdienstleister. Auch das ist, so hört man aus der Branche, ein Grund dafür, dass einige Banken im Hinblick auf eine Erweiterung des Geschäfts noch eher zurückhaltend sind und lieber die Füße still halten.

Händler werden Banken in Zugzwang bringen

Für Händler, vor allem aber für große Handelsketten mit einem Omnichannel-Ansatz, bietet die PSD2 dabei eine Vielzahl von Features und Möglichkeiten, deren Unterstützung sie von den Banken und Zahlungsdienstleistern einfordern werden.

Mit Hilfe von PSPs können Händler die neuen Instant Payments selbst auslösen und so schneller über Beträge aus Zahlungen verfügen, europaweit und rund um die Uhr.“

Ralf Gladis, Geschäftsführer Computop

Auch Technologien wie die biometrische Authentifizierung, die im Rahmen der Zwei-Faktor-Authentifizierung dank der entsprechenden Mobilgeräte in Zukunft eine wichtigere Rolle spielen wird, sind dank der PSD2 denkbar. Gerade das setzt allerdings voraus, dass hier die Banken „mitspielen“.

Verfahren wie die Zahlung per Fingerabdruck sind im Übrigen beides so einfache Vorgänge, dass die Händler schon aufgrund der signifikant höheren Conversion Rate über kurz oder lang danach fragen werden – insbesondere angesichts der steigenden Zahl an Fingerabdruckscannern selbst bei Mittelklasse-Smartphones. Fest steht also bereits heute: Banken, die sich nicht nur auf die PSD2 einlassen, sondern deren Features pro-aktiv implementieren, könnten hier gleich drei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Den PSD2-Richtlinien gerecht werden, das Geschäft erweitern und zugleich eine Internationalisierung in die Wege leiten. tw

 

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