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STRATEGIE20. Mai 2016

Girocard oder “Raider heißt jetzt Twix”?

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Rudolf Linsenbarth privat

Eine Karte zum Girokonto gehört mittlerweile zur Grundausstattung. Wie man damit Bargeld am Automaten bekommt, wissen die meisten Bank­kunden. Aber den richtigen Name der Karte kennen sie wahrscheinlich nicht. Die häufigste Antwort lautet wohl „EC Karte“. Das stimmt aber seit 2007 nicht mehr! Damals hatte die Deutsche Kredit­wirt­schaft einen Produkt Relaunch vorgenommen und den neuen Namen „Girocard“ aus der Taufe gehoben. Und damit fingen die Probleme erst an.

von Rudolf Linsenbarth

Die Markenrechte an der Bezeichnung „EC‑Karte“ blieben beim Kreditkarten-Unternehmen MasterCard. Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) nannte sich damals noch Zentraler Kreditausschuss (ZKA). Dort waren derzeit wohl echte Sparbrötchen unterwegs. Eine Image-Kampagne so wie bei Raider hielt man nicht für notwendig. Schließlich war man unbestrittener Marktführer und hatte durch die hohen Kreditkartengebühren in vielen Handelsbereichen ein Monopol.

Am falschen Ende gespart und schlecht verkauft

Dieser Geiz fällt dem Verband jetzt auf die Füße. Zumal die kartenausgebenden Banken einen weiteren fatalen Fehler begingen, der dem Markenartikelunternehmen Mars wohl nie unterlaufen wäre. Das Girocard-Logo wurde verschämt auf die Rückseite verbannt. Stattdessen wurde die Werbefläche auf der Vorderseite einer jeden Karte an die Kreditkartenunternehmen „vermietet“. Die platzierten dort ihre eigenen Logos. Der Effekt ist verblüffend, fragt man den Kunden auf der Straße welches denn das Logo seiner Bankkarte wäre, wird er eher auf die Bilder von Maestro oder VPAY zeigen als auf das Girocard-Emblem.

Wer war jetzt gleich noch mal was? Ab 9. Juni droht am POS das perfekte Chaos.
Wer war jetzt gleich noch mal was? Ab 9. Juni droht am POS das perfekte Chaos.

Die Deutsche Kreditwirtschaft hat diesen Fehler mittlerweile erkannt und bemüht sich nach Kräften, das Versäumte nachzuholen. In der „Girocard-City“ Kassel sollen die neuen Image-Kampagnen getestet werden und anschließend in ganz Deutschland Verbreitung finden. Der geneigte Leser fragt sich jetzt vielleicht, warum die EC‑Karte Girocard nach neun erfolgreichen Jahren bekanntgemacht werden muss.

Das Problem, das erst noch eines wird: Multi-Scheme

Ausschlaggebend sind hier eine ganze Reihe von Gründen, die das Vorgehen der DK opportun erscheinen lassen. Da wäre der steigende Wettbewerb, allen voran die Kreditkarte. Die durch die EU erzwungene Absenkung der Interchange-Gebühren haben der Kreditkarte neue Marktbereiche auch zu Lasten der EC‑Karte Girocard erschlossen. Man denke nur an den Einsatz von Kreditkarten beim deutschen Lebensmitteldiscounter (vor neun Jahren undenkbar). Aber der Wettbewerber befindet sich auch auf der eigenen Karte. Das Maestro- oder VPAY-Logo sitzt dort nicht nur zu Werbezwecken, sondern signalisiert auch, dass die Karte Multi-Scheme fähig ist. Einige Händler machen davon sogar Gebrauch. Immer wenn Sie Ihre EC‑Karte Girocard bei Primark einsetzen, läuft im Hintergrund eine VPAY- oder Maestro-Transaktion. Oder an der Star-Tankstelle werden Transaktionen von EC‑Karten Girocards mit einem VPAY Co-Brand durch das VISA-Netzwerk geschleust.

Rudolf Linsenbarth

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Rudolf Linsenbarth ist Seni­or Consultant für den Be­reich Mobile Payment und NFC bei COCUS Con­sul­ting. Zuvor war er 11 Jah­re im Bank­bereich als Seni­or Technical Specia­list bei der TARGO IT Consulting (Crédit Mutuel Banken­gruppe). Linsenbarth ist ei­ner der pro­fi­lier­tes­ten Blog­ger der Fi­nanz­szene und kommentiert bei Twit­ter un­ter @holimuk die aktuellen Entwicklungen. Alle Beiträge schreibt Rudolf Linsenbarth im eigenen Namen.

Die Nagelprobe: Der 9. Juni 2016

Prinzipiell könnte die DK natürlich versuchen, das Problem auszusitzen, schließlich sind die Gebühren für die EC‑Karte Girocard wahrscheinlich für den Handel immer noch günstiger als die meisten Alternativen. MasterCard und VISA werden ihre Produkte nicht dauerhaft quersubventionieren und hoffen auf den Verbraucher. Dessen Stunde schlägt nämlich am 9. Juni. Dann kommt Teil 2 der Interchange-Regulierung und nennt sich Anwendungsauswahl.

Damit ist gemeint, dass z.B. ein Kunde, auf dessen EC‑Karte Girocard auch das Maestro-Logo prangt, selber entscheiden kann, ob die Transaktion direkt zur Kopfstelle seiner Bank oder erst durch das MasterCard-Netzwerk gelenkt wird. Natürlich nur, wenn der Händler auch beide Zahlmethoden anbietet. Was aber, wenn der Kunde nicht weiß, welche Produkte auf seiner Karte vorhanden sind? Oder wenn die ihm bekannte EC‑Karte gar nicht erst angeboten wird? Na dann drückt er vielleicht irgendwas, also das Maestro-Logo. Kann ihm eigentlich auch egal sein. Im Gegensatz zu den Banken, den Karten-Schemes und dem Handel.

In der Zwickmühle

Das einfachste für die Banken wäre natürlich, nur noch Karten mit EC‑Karten Girocard-Funktionalität herauszugeben. Dann müssen sie aber ihren Kunden erklären, warum die neue EC‑Karte Girocard im Ausland nicht mehr funktioniert. Vielleicht eine gute Gelegenheit, den Globetrottern eine Kreditkarte zu verkaufen. Aber die könnten dann auf die Idee kommen, diese auch in unerwünschter Weise im Inland einzusetzen. Das ist aber ein anderes Thema.rl

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