Anzeige
STRATEGIE20. April 2018

Nachruf: Vodafone zieht seiner Wallet den Stecker

Die girocard mobile sollte sowohl in die Telekom, als auch in die Vodafone Wallet – das ging schief.ITFM

Ende letzten Jahres hatte ich darüber spekuliert (genauer: hier …), ob die Vodafone Wallet das Video 2000 des Mobile Payments ist. Scheitert also eine technisch bessere Lösung an den „Randbedingungen“ des Marktes?

von Rudolf Linsenbarth

Nun hat Vodafone in einer Pressemitteilung mitgeteilt, dass die Wallet Ende Juni 2018 eingestellt wird. Der Stopp des Dienstes bezieht sich nicht nur auf Deutschland, sondern alle Länder, in denen Vodafone seinen Nutzern diesen Dienst zur Verfügung gestellt hatte. Also auch in Großbritannien und Spanien, wo das Produkt erheblich erfolgreicher war als hierzulande.

Über die Gründe im Einzelnen lässt sich spekulieren. Dass es für das Produkt keinen eigenständigen Business Case gab, war schon länger bekannt. Mittlerweile war wohl auch die Hoffnung dahin, diesen mit einer großen Anzahl von Nutzern doch noch irgendwie herbeizuführen. Die letzte Option mit der Wallet wenigstens eine bessere Kundenbindung zu erzielen, scheint ebenfalls nicht gezogen zu haben.

Autor Rudolf Linsenbarth
Rudolf Linsenbarth beschäftigt sich mit Mobile Payment, NFC, Kundenbindung und digitaler Identität. Er ist seit über 15 Jahren in den Bereichen Banken, Consulting, IT und Handel tätig. Linsenbarth ist profilierter Blogger der Finanzszene und kommentiert bei Twitter unter @holimuk die aktuellen Entwicklungen. Alle Beiträge schreibt Rudolf Linsenbarth im eigenen Namen.

Der Verlust ist groß, nicht nur für Vodafone. Es betrifft auch Partner, die auf das SIM-Konzept gesetzt hatten. Die meisten Leser werden wahrscheinlich nur die girocard der Genossenschaftsbanken und Sparkassen vor Augen haben. Aber es gibt auch noch andere Industriezweige.”

Da wäre zum Beispiel Daimler-Benz. Besitzer einer Mercedes E-Klasse konnten ihren Autoschlüssel in die Wallet legen und das war nur der Anfang. Die Mietwagen-Branche hat darauf spekuliert, ihren Kunden den Zugriff auf die Leihwagen direkt über das Smartphone zu erteilen. Der vorhergehende Buchungsprozess findet dort vielfach sowieso bereits statt.

Ähnlich sieht es in der Hotelbranche aus. Teure Portiers, die die ganze Nacht über auf ihre Gäste warten, sollten der Vergangenheit angehören. Für das Thema Zutrittskontrolle war die Wallet bereits gerüstet. In Pilotprojekten konnten einige Vodafone-Mitarbeiter ihre Campus-Karte gegen das Smartphone eintauschen. Auf dieser Basis lassen sich noch dutzende von Anwendungsfällen finden.

Eine weitere wichtige Wallet Applikation war das Nahverkehrsticket. Die meisten Verkehrsverbünde geben bereits kontaktlose Karten heraus, warum die nicht ins Handy packen. Erste Tests gab es bereits mit der Düsseldorfer Rheinbahn. Nur beim SIM-Karten-Konzept stehen die kontaktlosen Funktionen auch zur Verfügung, wenn der AKKU alle ist. Für Verkehrstickets ein sehr sinnvolles Feature. Nun müssen Kunden und Nahverkehrsanbieter weiter mit suboptimalen Produkten wie dem Handy Ticket Deutschland leben. Allein die Fahrkarten-Kontrolle dauert hier bis zu einer Minute pro Kunde!

Vodafone

Man kann Vodafone keinen Vorwurf machen, nicht alles versucht zu haben.”

In der Frühphase ab 2011 wollten die Banken einfach nicht. Davon ließ man sich in Düsseldorf nicht entmutigen und baute eine erste Lösung ohne deren Beteiligung. Das Ergebnis, eine Prepaid-Kreditkarte, war nicht sonderlich sexy. Der Versuch, die Reichweite mit einem Sticker zu vergrößern und iPhone-Nutzern sowie Kunden ohne Vodafone-Laufzeitvertrag ein Angebot zu machen, war letztendlich auch ein Flop. Warum der Sticker nicht funktioniert, hatte ich bereits vor 4 Jahren in einem Beitrag auf mobile zeitgeist dargelegt.

T-Mobile und ePlus, O2 blieb nach einem kurzen Test mit den Genossenschaftsbanken vorsichtshalber kräfteschonend am Spielfeldrand, hatten auch keine besseren Ideen.”

Das Vodafone-Konzept wurde nahezu 1:1 kopiert. Trotzdem wollte man bei Vodafone nicht aufgeben und wagte einen Neustart. In der FinTech-Szene würde man das wohl einen Pivot nennen. Mit Hilfe von Carta Worldwide entwickelte man die „Proxy Karte“. Eine aus Nutzersicht sehr anwendungsfreundliche Lösung. Hier fehlte es dann aber wieder an Reichweite (nur Vodafone-Laufzeitverträge und zertifizierte Android-Smartphones mit NFC).

Vodafone/Google-Appstore

Um weiter am Ball zu bleiben, wäre der nächste Schritt die Aufgleisung von Tokenisation gewesen. Der würde aber nur Sinn machen, wenn die Banken hier Kooperationsbereitschaft signalisiert hätten. Das war offensichtlich nicht der Fall. Damit hatte die oberste Vodafone-Führungsebene dann wohl endgültig die Lust verloren und einen Schlussstrich gezogen.

Was bedeutet das Aus der Vodafone Wallet?

1. Das Wallet-Konzept
Die Idee, dem Kunden all das was er in seinem „Ledergeldbeutel“ mit sich herum trägt, als virtuelles Produkt aus dem Smartphone heraus anzubieten, wird weiter vorangetrieben. Allerdings wird es wohl nicht mehr eine zentrale Wallet sein, die diese Applikationen orchestriert. Damit der Anwender sich dann aber nicht in einer kleinteiligen Rechteadministration von einem Dutzend verschiedener Dienste verliert, braucht es eine digitale Identität.

2. Dienste jenseits von Payment
Fahrkarten, digitale Schlüssel und weitere müssen teilweise neu entwickelt werden. Ohne ein zentrales Secure Element im Smartphone benötigt jede dieser Anwendungen ebenfalls eine Art Tokenisation. Dazu kommt, dass diese natürlich für sicherheitskritische Bereiche nur funktionieren, wenn mindestens einer der beiden Kommunikationspartner online ist, um eine Validierung der Token zu gewährleisten. Aber in Zeiten von IoT (dem Internet der Dinge) ist ja eh jeder mit jedem ständig vernetzt.

wikimedia/Ubcule
3. Mobile Payment
Ich habe Stimmen gehört, die meinen, für das Mobile Payment wäre das Ende von Vodafone Wallet kein Verlust, schließlich kann doch jede Bank ihr eigenes Mobile Payment bauen. Prinzipiell ist das richtig. Aber was ich bisher von den Banken gesehen habe, war alles Mögliche, nur keine überzeugende Lösung. Die Vermutung liegt nahe, dass man am Ende doch einen Partner braucht. Dann ist es von Vorteil, wenn es da Auswahl gibt.

Ach ja und Banken, die jetzt noch schauen wollen, was an der Vodafone Wallet nun besonders gut oder auch nicht so gut gelöst worden ist, kommen definitiv zu spät. Aber wie sagt der Volksmund so schön, wirklich lernen kann man nur aus den eigenen Fehlern. Schauen wir mal!” Rudolf Linsenbarth

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert