Anzeige
STRATEGIE21. April 2017

Instant Payments an der Kasse … was tun die Banken?

Ralf Gladis, CEO ComputopComputop

Im Handel entscheidet sich der Erfolg eines Zahlungssystems an der Kasse und am POS-Terminal. Hier muss sich auch der neue europäische Standard Instant Payments beweisen. Instant Payments in die Kasse zu integrieren, ist aber keineswegs einfach. Und in Zeiten von Cross-Channel-Angeboten wie Pickup-In-Store muss die Integration von Instant Payments weit über POS-Terminals hinausgehen.

von Ralf Gladis, Computop Geschäftsführer

Wenn die Zahlungen der Kunden sekundenschnell auf dem Konto ankommen, können Europas Händler Liquidität in Milliardenhöhe gewinnen.

Mit Instant Payments muss das Geld europaweit innerhalb von 10 Sekunden vom Senderkonto auf das Empfängerkonto überwiesen sein. Für den Handel soll Instant Payments günstig sein, und die EZB verlangt von den Banken, dass Instant Payments 365 Tage im Jahr und 24 Stunden am Tag online, mobil und am POS verfügbar sind …”

… eine starke Konkurrenz für bestehende Bezahlsysteme wie Visa, MasterCard und Girocard. Was kommt da auf Banken und Handel zu?

Die Geschichte von PSD und PSD2
Quelle iso-20022.chPSD2 bezeichnet die erweiterte Zahlungsdienste-Richtlinie (2015/2366) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über die Zahlungsdienste im Binnenmarkt. PSD2 löst die Zahlungsdienste-Richtlinie (2007/64/EG) PSD vom 13. November 2007 ab und ist ab 13. Januar 2018 gültig.

Die Payment Services Directive 2 (PSD2 oder PSD II) ist die revidierte Richtlinie in neuer und erweiterter Auflage – sie definiert zusätzlich die Marktöffnung für Drittanbieter (TPP) im Zahlungsverkehr. Drittanbieter sind Anbieter von Finanzdienstleistungen, welche über APIs Zugriff auf Konten ihrer Kunden bei der jeweils kontoführenden Bank erhalten sollen. Drittanbieter werden insbesondere in zwei Gruppen unterschieden: AISPs (Account Information Service Providers) und PISPs (Payment Initiation Service Providers).

PSD2 sieht im EU-Raum vor, den Zahlungsverkehr auch für Nicht-Banken (also Drittparteien) zu öffnen, um Innovationen und den Wettbewerb zu fördern. Gleichzeitig soll der Verbraucherschutz erhöht werden. Hinter der neuen Richtlinie steht auch die erklärte Absicht, durch neue Anbieter, neue Lösungen und verstärkten Wettbewerb die Kosten im Zahlungsverkehr generell zu senken und die Sicherheit zu erhöhen.

Die PSD2 schafft damit neue Spielregeln im Zahlungsverkehr mit Auswirkungen für alle Teilnehmer: für den Markt, für Konsumenten und vor allem auch für Banken. Finanzinstitute werden verpflichtet, via APIs (Application Programming Interfaces), Zugänge bzw. Schnittstellen für Drittparteien (TPPs) und damit Kontozugriff zu schaffen (XS2A), damit diese am Zahlungsverkehr der Banken teilnehmen können. Selbstverständlich jeweils auf Wunsch und mit dem Einverständnis des jeweiligen Kontoinhabers.

Konkret erhalten Drittparteien “diskriminierungsfreien Zugang” zu Kundenkonten (Access to Account/XS2A) mit den Grundfunktionen “Abfrage von Konteninformationen” (AISPs) sowie “Initiierung von Zahlungen” (PISPs). In der Diskussion stehen deshalb auch die Themen von Sicherheit, Verantwortlichkeiten und Haftung sehr weit vorne.

Plastik oder Funk an der Kasse?

Obwohl es an Motivation daher nicht fehlen sollte, wird der Weg zu Instant Payments nicht leicht. Wer Instant Payments in den Markt bringen will, muss sich an den Möglichkeiten im Handel orientieren: Plastikkarten und EMV-Chips dominieren heute noch die Zahlung am POS. Alternativ beherrschen die POS-Terminals im Handel aber auch die Bezahlung per Funk (NFC: Near Field Communication). Werden die Europäer Instant Payments mit ihren Plastikkarten nutzen oder lieber ihr Smartphone verwenden? Hier beginnt das Rennen zwischen Banken und FinTech-Unternehmen: Für Banken sind die uns vertrauten und millionenfach ausgegebenen Kredit- und Debit-Karten ein großer Marktvorteil. Da FinTechs keinen Zugriff auf so viele Kunden haben, müssen sie auf komfortable Apps mit Funk und NFC setzen. Das wird ein interessanter Wettlauf um die Gunst der Konsumenten.

Technologisch sind die FinTechs mit NFC aber im Nachteil, weil niemand außer Apple NFC auf dem iPhone oder auf der Apple Watch nutzen kann. Wer auf NFC setzt, muss vorerst noch auf Apple-Kunden verzichten.”

Da Google Android rund 80% des Marktes beherrscht, schadet sich Apple vornehmlich selbst. Wenn Apple NFC weiter sperrt, könnten QR-Codes eine Möglichkeit sein, um Apple-Nutzer trotzdem mit Instant Payments zu versorgen.

Wie kommt der Handel an Instant Payments?

Schnelle und dramatische Marktverschiebungen gibt es im Zahlungsverkehr nicht. Instant Payments wird trotz aller Vorteile keine Ausnahme machen. Das liegt zum Beispiel daran, dass viele Händler Ihre Bezahlterminals von einem POS-Netzbetreiber über 3 bis 5 Jahre mieten. Was diese POS-Terminals können, und wie sie mit Instant Payments umgehen, bestimmt der Anbieter und nicht der Händler.

Kurzfristig ist zu erwarten, dass der Handel Instant Payments bei seinem Netzbetreiber oder Payment Service Provider (PSP) als zusätzliche Leistung zu anderen Zahlarten bestellen kann. Da die EZB angemessene Preise vorschreibt, ist bei Instant Payments mit einem Preisvorteil gegenüber Kredit- und Debit-Karten zu rechnen.

Es reicht aber nicht, Instant Payments nur an der Kasse zu integrieren. Der Handel investiert in einheitliche Einkaufserlebnisse seiner Kunden auf allen Verkaufskanälen.”

Wer seinen Kunden den Komfort bieten will, Online-Bestellungen in der Filiale abzuholen oder zurückzugeben, der muss an der Kasse auch die Bezahlung und die Gutschrift von Online-Bestellungen zulassen. Zusätzlich zum POS-Terminal muss deshalb auch das Bezahlsystem des Online-Shops mit der Kasse verbunden sein. Momentan nutzen die meisten Händler am POS andere Zahlungsdienstleister als im Online-Shop. Damit Instant Payments und andere Zahlarten auch in Cross-Channel-Umfeld (Return In-Store) reibungslos funktioniert, muss der Handel die Zahlungsabwicklung bei einem Zahlungsdienstleister bündeln.

Was passiert an der Kasse?

Die Einführung von Instant Payments ist für 2018 geplant und geht einher mit der neuen EU-Regulierung für Zahlungsverkehr in Europa. Instant Payments und alle anderen Zahlsysteme müssen 2018 die Anforderungen der neuen Payment Service Directive (PSD2) erfüllen. Bei Bestellungen über 30 Euro müssen sich Kunden zweifach authentisieren, zum Beispiel mit PIN, Smartphone oder mit biometrischen Merkmalen wie dem Fingerabdruck.

Die Authentisierung soll die Zahlung sicherer machen und Vertrauen schaffen. Es ist aber auch eine zusätzliche Hürde für Online-Bestellungen und kann im stationären Handel Schlangen an der Kasse verursachen. Bis zu einem Betrag von 500 Euro ist eine Ausnahme von der Authentisierung zulässig, wenn der Händler niedrige Betrugsquoten nachweisen kann. Der Handel muss also Betrug und Zahlungsmissbrauch vorbeugen, um seinen Kunden die Authentisierung zu ersparen. Wer das wie genau messen soll, ist noch nicht endgültig geklärt, aber wir dürfen hoffen, dass eine praktikable Lösung gefunden wird, denn die starke Authentisierung (SCA: Strong Consumer Authentication) betrifft alle Zahlarten einschließlich Instant Payments.

Und was tun die Banken?

Die meisten Banken haben den Zahlungsverkehr im Handel jahrelang vernachlässigt. Das Geschäft wurde jahrzehntelang externen Dienstleistern überlassen, so dass es in den meisten Banken an Know-how zu den Prozessen im Handel fehlt.”

Das rächt sich jetzt, weil die Banken die Prozesse im Handel nicht kennen und auch technologisch nicht mit Online-Shops, Warenwirtschaft oder Kassensystemen vernetzt sind. Das ist das Geschäft der Netzbetreiber und PSPs. Der Traum mancher Banker, mit der Einführung von Instant Payments Marktanteile im Retail Payment zu gewinnen, ist daher kritisch zu betrachten. Die Banken werden sich auf Ihre Stärke bei Konsumenten, Banking und das Issuing-Geschäft konzentrieren müssen.

Trotz gegenteiliger Bekundungen ist unter Experten und in Arbeitskreisen deutlich zu spüren, dass viele Banken dem Thema Instant Payments und Kontozugang für Dritte (X2A: Access to Accounts) sehr ablehnend gegenüber stehen.”

Das ist an drei Stellen besonders kritisch:

1. Im Online-Payment bleibt die Authentisierung in der Hoheit der Banken. Mangels Standard und durch die Vielfalt an Authentisierungsverfahren können die Banken innovative Lösungen blockieren, um ihr eigenes Geschäft zu fördern, weil der Aufwand für FinTechs und PSPs zu groß wird.

2. Aus Expertenkreisen ist zu hören, dass die Banken die technischen Schnittstellen (APIs) für Instant Payments alle etwas anders umsetzen wollen, anstatt einem Standard zu folgen. Dann funktioniert Instant Payment bei jeder Bank etwas anders. Das vergrößert den Aufwand, weil FinTechs und PSPs ihre Software für hunderte Bankengruppen immer wieder anders konfigurieren müssen.

3. Instant Payments ist aufwändig umzusetzen und braucht das Engagement der Banken. Wenn die EBA (European Banking Authority) und die lokalen Aufsichtsbehörden solche Blockadehaltung mancher Banken zulassen, dann würde Instant Payments unnötig verzögert. Instant Payment muss ein Standard mit API sein, der überall einheitlich funktioniert.

Instant Payments im E-Commerce

Internationale Online-Händler brauchen momentan eine Vielzahl an Zahlarten, damit die Kunden in jedem Land ihre präferierten Zahlarten nutzen können: Rechnung in Deutschland, iDEAL in den Niederlanden, PayPal und viele andere mehr. Das ist gerade in Europa aufwändig. Im Online-Handel hat Instant Payments das Potenzial, einen EU-Standard zu schaffen und so die komplexe Vielfalt an Zahlarten zu verringern.

Die Pflicht zur zweifachen Authentisierung gilt übrigens nur für EU-Bürger mit EU-Konto. Kunden außerhalb der EU müssen keine Authentisierungsprozedur durchlaufen.”

Autor
Ralf Gladis verantwortet als Gründer und Geschäftsführer die internationale Expansion sowie die strategische Ausrichtung von Computop. Im Jahr 1997 gründet Gladis gemeinsam mit Frank Arnoldt das Unternehmen. Als Software-Architekt entwickelt er die Plattform Paygate, das zentrale Zahlungsverkehrs-Portal von Computop. Die Grundlagen seiner Technologie-Kompetenz erwarb sich Gladis durch sein Studium der Wirtschaftsinformatik an der Universität in Bamberg.

Es gibt zudem noch eine weitere Ausnahme von der Authentisierungspflicht: Konsumenten können eine Liste von 10 oder 20 Händlern definieren, bei denen keine Authentisierung nötig ist. Das ist einerseits ein Vertrauensbeweis, mit dem Bestellvorgänge leichter gemacht werden. Es ist andererseits aber auch notwendig, wenn beispielsweise automatische Teilzahlungen oder monatliche Beiträge abgewickelt werden sollen, ohne, dass der Konsument eingreifen muss. Doch wer bekommt die Ehre, auf dieser SCA-Whitelist zu landen? Hier entsteht die Gefahr von Marktkonzentration, weil die Konsumenten große Händler mit breitem Sortiment auf die Whitelist setzen, bei denen sie öfter einkaufen. Dort ist der Einkauf dann leichter und schneller. Für kleine Händler bleibt dann auf der exklusiven Liste vielleicht kein Platz mehr.

Es stellt sich die kritische Frage: Haben kleinere Händler künftig eine Chance, dass sich auch Einmal-Besteller für einen bestimmten Online-Shop anmelden? Oder kauft der Konsument lieber bei den großen Namen ein, weil es dann auch beim Payment einfacher ist? So würde sich die Marktmacht durch PSD2 noch stärker zu bekannten und großen Webshops verschieben.

Besonders kleinere Händler müssten dann darum kämpfen, auf der Whitelist ihrer Kunden zu landen. Solche Konzentrationseffekte sind politisch sicher nicht gewünscht.

Fazit: Bis Ende 2018 sind noch sehr viele Hausaufgaben zu erledigen

Mit Instant Payments kommt in naher Zukunft ein neues System an den Start, das europaweit Bezahlvorgänge schneller als bisherige Lösungen abwickelt. Damit es an der Kasse funktioniert, sind aber Veränderungen an POS-Terminals und an Online-Bezahlplattformen notwendig. Ende 2018 soll alles verfügbar sein. Dann kann der Handel Instant Payments bei Netzbetreibern und Payment Service Providern bestellen, um durch schnelle Zahlungseingänge von besserer Liquidität zu profitieren. Damit Cross-Channel-Dienste wie Pickup In-Store und Return In-Store funktionieren, muss der Handel Instant Payments online und am POS einführen.

Ganz ohne Herausforderung ist auch Instant Payments nicht zu haben. Eine Kernfrage ist, wie sich der Handel gegen die Konzentrationsrisiken stemmt, die mit der SCA-Whitelist einhergehen. Wie kann man den Kunden überzeugen, nicht Amazon, sondern den eigenen Shop auf die Whitelist zu setzen? Um bei Beträgen bis 500 Euro die komplexe Zweifaktor-Authentisierung zu vermeiden, gilt es frühzeitig Maßnahmen zur Betrugsprävention umzusetzen und Chargebacks zu vermeiden. Bei der Authentisierung im Online-Shop können PSPs beraten. Wer eine Omnichannel-Strategie verfolgt, sollte seine Zahlungen bei einem Zahlungsdienstleister bündeln.aj

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert