FINTECH16. März 2018

insurHUB 2.0: innovative Ansätze – aus Absicherung wird Schutz, Prävention geht vor Schadensausgleich

Das insurHUB Innovation Lab in Ber­lin star­tet in die zwei­te Pro­jekt­pha­se. Im Fo­kus stehen zwei we­sent­li­che Pa­ra­dig­men­wech­seln: B2H (Busi­ness to Hu­man) be­schrei­be ei­ne neue, ganz­heit­li­che Aus­rich­tung an den rea­len Kun­den­be­dürf­nis­sen. Zu­dem bie­tet die tech­no­lo­gi­sche Ent­wick­lung den Ein­tritt in neue Ge­schäfts­mo­del­le: aus Ab­si­che­rung wird Schutz, Prä­ven­ti­on geht vor Scha­dens­aus­gleich.

von Sylvie Hauke, V.E.R.S. Leipzig 

insurHUB
In der Ver­si­che­rungs­wirt­schaft wur­de in den ver­gan­ge­nen Jah­ren ei­ne Men­ge Staub auf­ge­wir­belt, Staub, der lan­ge über­se­hen oder viel­leicht auch igno­riert wur­de, zu­min­dest aber un­an­ge­tas­tet blieb. Seit ei­ni­ger Zeit, so könn­te man den Ein­druck be­kom­men, be­müht sich nun ei­ne gan­ze Bran­che, ei­nen für nö­tig ge­hal­te­nen Wan­del so schnell wie mög­lich nach­zu­ho­len. Di­gi­ta­li­sie­rung und In­no­va­ti­on sind die Zau­ber­wör­ter der Stun­de, die von eta­blier­ten Ak­teu­ren ge­nau­so wie von jun­gen Start-ups wie ein Man­tra wie­der­holt wer­den.

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Und tat­säch­lich wird di­gi­ta­li­siert, was das Zeug hält. Neue Kun­den­schnitt­stel­len wer­den er­schlos­sen, in­ter­ne Pro­zes­se auf On­line-Ka­nä­le um­ge­la­gert, künst­li­che In­tel­li­genz und die Samm­lung bio­me­tri­scher Da­ten durch um­fas­sen­de Sen­so­rik mo­bi­ler End­ge­rä­te wie Smart­pho­nes und Ta­blets sol­len da­bei hel­fen, al­te Pro­duk­te wie Kran­ken- oder Kfz-Ver­si­che­run­gen ei­ner Frisch­zel­len­kur zu un­ter­zie­hen und für die An­sprü­che jun­ger Ge­ne­ra­tio­nen fit zu ma­chen. Meh­re­re die­ser An­sät­ze fin­den be­reits An­wen­dung oder sind zu­min­dest in der Test­pha­se, viel­fach lie­fern sie ver­hei­ßungs­vol­le Re­sul­ta­te.

Und dennoch wirkt diese Entwicklung häufig gekünstelt und eindimensional. Dies liegt daran, dass sie der Tragweite des sich vollziehenden Kulturwandels bislang kaum gerecht wird. Zu sehr wird der Fokus darauf gerichtet, altbewährte Konzepte durch einen Cyber-Anstrich in das neue Jahrtausend zu hieven. Diese Anstrengung ist völlig legitim: Menschen werden auch zukünftig noch krank, Auto fahren und nach Absicherung vor den Unwägbarkeiten ihres Lebens verlangen.

Autorin Sylvie Hauke
Sylvie Hauke ist derzeit als Projektleiterin im insurHUB Innovation Lab in Berlin tätig. Nach ihrem Masterstudium der BWL an der Universität Leipzig studierte Frau Hauke Design Thinking am Hasso-Plattner-Institut in Potsdam. Seit 2014 ist sie als Projektleiterin bei V.E.R.S. Leipzig tätig, dort leitete sie u.a. die Start-up-Messe InnoVario. Seit Februar 2017 leitet Frau Hauke von Seiten der V.E.R.S. Leipzig das insurHUB Innovation Lab in Berlin.
Doch sie greift zu kurz, denn der sich vollziehende Gesellschaftswandel bezieht sich nicht ausschließlich auf die Digitalisierung bislang analoger Bereiche, sondern besteht aus einem Spannungsfeld unterschiedlicher Entwicklungslinien, die das Zusammenleben in den nächsten Jahrzehnten maßgeblich beeinflussen werden. Exemplarisch können Megatrends wie Urbanisierung, Individualisierung, Flexibilisierung, steigende Lebenserwartung oder Verlagerung von Sicherheitskultur angeführt werden.

Kunden in den Mittelpunkt

Dieses Umfeld erfordert es, Versicherung von Grund auf neu zu denken und dabei viel radikaler als bislang den Kunden in den Mittelpunkt zu stellen. Einem solchen Ansatz folgt das insurHUB Innovation Lab, das am 05. Februar 2018 in Berlin zum zweiten Mal in eine neunmonatige Projektphase gestartet ist.

Die Initiatoren EY Innovalue, SAP und V.E.R.S. Leipzig bieten mit dem insurHUB einen Raum, der freie Ideenentwicklung ermöglicht und dabei an der Identifikation von Bedürfnissen, Sorgen, Nöten und Herausforderungen in der Bevölkerung ansetzt, anstatt sich durch die Vorgabe konkreter Produktdesigns im Vornhinein zu beschränken.

v.e.r.s. Leipzig

Der Kunde steht bei der täglichen Arbeit im Lab im Mittelpunkt. Dabei wird nicht nach B2B oder B2C unterschieden, sondern der zentrale Ansatz lautet B2H (Business to Human).“

Theresa Jost, Geschäftsführerin der V.E.R.S. Leipzig

Dieses Prinzip mag einleuchtend und selbstverständlich erscheinen, doch das ist es beileibe nicht. Denn anstatt potenzielle neue Geschäftsbereiche zu identifizieren, beschränken sich die Anstrengungen in der Branche bislang weitgehend auf digitale Updates von althergebrachten Ansätzen. Dabei gibt es eine Vielzahl möglicher Ansatzpunkte: Die gefühlte Bedrohung durch globalen Terrorismus, Sorge vor Schadstoffbelastung in Lebensmitteln oder Cyber-Crime, um nur einige zu nennen.

Das insurHUB-TeaminsurHUB-Team

Für die zweite Projektphase des insurHUBs wurde daher bewusst auf inhaltliche Vorgaben verzichtet.

Universität Leipzig

Im Lab arbeiten gemischte, interdisziplinäre Teams an einer gemeinsamen Vision: Versicherung so zu designen, dass sie für die Menschen in einer digitalen, komplexen und globalisierten Welt zu einem verlässlichen Partner wird. Dazu braucht es Freiraum und Mitarbeiter, die den Mut haben, tradierte Denkmuster aufzubrechen und dabei auch einmal Fehler zu machen. Dieser Geist ist nötig, will die Assekuranz den Sprung ins 21. Jahrhundert wirklich erfolgreich bewältigen.“

Prof. Dr. Fred Wagner, Mitinitiator des Innovationskatalysators

Neben der Kundenzentrierung steht als ein weiterer Aspekt die Erkenntnis im Fokus, dass das Sicherheitsbedürfnis in der Bevölkerung in einer Welt mit zunehmend komplexen und unübersichtlichen Entwicklungen und Bedrohungslagen wächst und nicht allein von staatlichen Institutionen gewährleistet werden kann. Die Verantwortung für umfassende Sicherheit liegt auch in den Händen der Wirtschaft und von Individuen. Die Assekuranz kann hier eine Schlüsselrolle einnehmen, denn genau hier liegt doch ihre Kernkompetenz.

Der Auftrag an die Branche ist eindeutig: Viel mehr als in der Vergangenheit wird es zukünftig ihre Aufgabe sein, zu schützen statt nur finanziell abzusichern, Prävention zu leisten statt einfachen Schadensausgleich.”

So entwickelt sich aus dem Versicherer ein Wegbegleiter, der den Kunden in diversen Lebenslagen proaktiv unterstützt. Die Technik hierfür liefern die mobilen und internetfähigen Devices, schon heute – durch umfangreiches Tracking können Gefahrensituationen technisch analysiert, ausgewertet und auf dieser Basis Handlungsempfehlungen gegeben werden.

Erneuerung von innen heraus

Viel Geschäftspotenzial für die Assekuranz und zugleich erhebliche Möglichkeiten, Kundennähe zu gewinnen und ein viel positiveres Image aufzubauen. Im insurHUB wird daran intensiv gearbeitet, und zwar „von innen“ aus der Branche heraus und nicht nur ausgelagert auf Startups und InsurTechs, wie bei einer Reihe von anderen Innovationsansätzen. Im insurHUB arbeiten EY Innovalue, SAP Deutschland und die V.E.R.S. Leipzig zusammen mit einem Kernteam von innovativen Mitarbeitern mehrerer großer Versicherungshäuser. Noch bis zum April steht weiteren Partnern aus der Branche ein Einstieg in das insurHUB 2.0 offen.aj

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