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STRATEGIE24. März 2022

Dezentrale Autonome Organisationen (DAO): Die Macht der globalen Community am Beispiel der UkraineDAO

DAO Experte: Prof. Dr. Svend Reuse (FOM & Vorstandsmitglied Kreissparkasse Düsseldorf)
Prof. Dr. Svend Reuse (FOM & Vorstandsmitglied Kreissparkasse Düsseldorf)Kreissparkasse Düsseldorf

Mit Putins Angriffskrieg auf die Ukraine liest man vermehrt über Initiativen, die den Kriegsopfern helfen sollen (Quellen: CNN, Cointelegraph, New York Times). Eine der Initiativen davon lautet auf den Namen UkraineDAO und hat vor Kurzem erfolgreich über ein Crowdfunding-Konzept mehrere Millionen USD Spendengelder gesammelt.

von Prof. Dr. Svend Reuse (FOM & Vorstandsmitglied Kreissparkasse Düsseldorf) und Cam-Duc Au (Dozent der FOM Hochschule)

Das Akronym DAO steht für dezentrale autonome Organisation und macht seinen Anspruch in seiner Bezeichnung sofort klar. Demnach ist die Idee hinter den drei Buchstaben die Schaffung einer Organisation, die sich den Werten der Dezentralität sowie Autonomie verschreibt (Quelle: Economist, Ethereum.org, Chohan, S. 1). Ermöglicht wird dies durch die Blockchain-Technologie sowie den Einsatz von Smart Contracts (Quelle: Reuse/Frère/Schaab, S. 43 – 68).

DAO Experte: Cam-Duc Au, Dozent FOM Hochschule
Cam-Duc Au, Dozent FOM HochschuleCam-Duc Au

Eine DAO kann man sich außerhalb des Blockchain-Universums wie ein gewöhnliches Unternehmen oder eine Organisation vorstellen. Ein Unternehmen besitzt einen oder mehrere Geschäftszwecke, die ein Management mit seinen strategischen Entscheidungen bestmöglich zu erreichen versucht. Dies kann im Falle der Banken die Zurverfügungstellung von Girokonten und Zahlkarten sein (Quellen: BR, BTC-Echo, OMR). In Bezug auf Organisationen existieren beispielsweise verschiedene gemeinnützige Zusammenschlüsse, die Gelder sammeln und diese für einen guten Zweck einsetzen.

Beide Beispiele eint, dass stets eine zentrale Instanz über allem steht, die die richtungsweisenden Entscheidungen fällt. Es handelt sich hiermit um hierarchisch organisierte Arbeitsorganisationsstrukturen. Die Beteiligten – Mitarbeiter oder Mitglieder – haben i.d.R. keine direkte Möglichkeit der Einflussnahme. DAOs stellen somit eine komplett neue Form der partizipativen Organisation dar, die ihre Community an allen Entscheidungen teilhaben lässt. Gemäß der bekannten Branchenplattform „Coinmarketcap“ existieren weltweit eine Vielzahl von DAOs, die in Summe eine Marktkapitalisierung von über 17 Mrd. EUR aufweist. Zu den bekannten DAO-Projekten zählt unter anderem das dezentrale Handelsprotokoll von „Uniswap“ oder die dezentrale Stablecoin-Börse „Curve“ (Quelle: Coinmarketcap). Abbildung 1 zeigt die Top-DAO-Tokens nach Marktkapitalisierung.

Verschiedene DAO in der Übersicht
Abbildung 1: Übersicht Top-DAO-Tokens nach MarktkapitalisierungEigene Darstellung in Anlehnung an Coinmarketcap (Stand: 22.03.2022)

Dezentrale Governance durch Einsatz von Tokens und Smart Contracts

Hinter dem Gedanken des häufig zitierten „Web 3.0“ steht der Ansatz hierarchische Strukturen sowie zentrale Machtgefüge aufzubrechen. Denn die Macht soll nicht in den Händen Einzelner (siehe Meta oder Alphabet) liegen, sondern vielmehr wieder zurück an die Nutzer gegeben werden (Quelle: t3n digital pioneers). Wie bereits angeführt, haben alle Mitglieder in einer DAO ein Mitspracherecht. Entscheidungen werden hier als Kollektiv getroffen. Vergleichbar wäre dies mit bestimmten Rechten, die ein Aktionär als Investor in eine Aktiengesellschaft ausüben kann. Generell werden sämtliche Prozesse eines klassischen Unternehmens in der Welt der DAOs in Codes abgebildet, die letzten Endes in Smart Contracts münden. Da keine zentrale Instanz die Entscheidungen absegnet, bedienen sich DAOs intelligenter Verträge, die mittels transparenter Blockchain-Protokolle (z.B. Ethereum) ermöglicht werden (Quelle: Börsen-Zeitung). So können Abstimmungen innerhalb der Organisationen effizient organisiert sowie umgesetzt werden. Für die Partizipation der Community werden dazu Tokens herausgegeben, deren Verkaufserlöse in einer gemeinschaftlich gesteuerten „Treasury-Abteilung“ aufbewahrt werden. Je mehr Tokens eine Person hält, desto höher wiegt das Stimmrecht in der DAO (Quelle: Ethereum.org).

Das Prinzip des Stimmrechts soll im Folgenden am Beispiel von Uniswap verdeutlicht werden. Der native Token „UNI“ ist ein sog. ERC20-Token und ist in erster Linie ein handelbares digitales Kryptoasset, vergleichbar zu Bitcoin oder Ether (Quelle: BTC-Echo). Anhand des genutzten Token-Standards wird ersichtlich, dass es sich um ein Peer-to-Peer-Protokoll auf Basis der Ethereum-Blockchain handelt. Die Besonderheit des UNI-Tokens liegt nun in dem zusätzlichen Votingrecht, das innerhalb der Uniswap-Governance ausgeübt werden kann. Dafür können Mitglieder in ein „Governance Forum“ gehen und die anstehenden Entscheidungen („Proposals“) einsehen. Das Recht kann entweder selbst ausgeübt oder an eine Dritte Partei delegiert werden. (Quelle: Uniswap). 

Das Prinzip der dezentralen autonomen Organisationen stellt einen interessanten Ansatz dar, um Nutzer oder Mitglieder in einer Organisation besser einzubeziehen und somit auch langfristig zu binden. Dabei wird auf die Intelligenz des Kollektivs zurückgegriffen, wodurch strategische Entscheidungen für die Community stets transparent sowie verständlich bleiben.“

Prof. Dr. Svend Reuse, FOM Hochschule und Vorstandsmitglied Kreissparkasse Düsseldorf

Die UkraineDAO

1. Aufbau und Struktur

Mit dem Tweet von Ukraine Vize-Premier Mykhailo Fedorov am 26. Februar 2022 wurde verkündet, dass die Regierung nun Krypto-Spenden ermöglicht. Der Post enthielt die jeweiligen Wallet-Adressen für die Währungen BTC, ETH und USDT und rief dazu auf, die vom Krieg gezeichneten Bürger zu unterstützen (Quelle: Twitter). Bisher wurde eine Gesamtspendensumme in Höhe von über 11,5 Millionen USD verzeichnet, die zum Großteil in der Währung Ether geleistet wurde (Quelle: BTC-Echo).

Autoren Prof. Dr. Svend Reuse und Cam-Duc Au, FOM Hochschule

Cam-Duc Au, MBA: ist als Dozent an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management (Website) in Frankfurt am Main, Essen & Düsseldorf sowie als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am isf Institute for Strategic Finance tätig. Nebenbei promoviert er an der Masaryk Universität in Brünn im Bereich Crypto-Robo-Advisory. Hauptberuflich ist er als Manager Beteiligungen beim P. Keppler Verlag angestellt, wo er gemeinsam mit CEO Michael Reuther digitale Trendthemen rund um das Verlags- und Finanzwesen begleitet. Die Ausführungen stellen die persönliche Meinung des Autors dar, die nicht notwendigerweise mit der des Arbeitgebers übereinstimmen muss.

Prof. Dr. Svend Reuse, MBA: ist Mitglied des Vorstands der Kreissparkasse Düsseldorf. Zudem ist er Honorarprofessor an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management (Website) und Mitglied im Fachbeirat des isf – Institute for Strategic Finance sowie im ZWIRN – Zentrum für wissenschaftliches, interdisziplinäres Risikomanagement und Nachhaltigkeit. Er ist kooptierter Wissenschaftler der Masaryk Universität Brünn, Tschechische Republik. Die Ausführungen stellen die persönliche Meinung des Autors dar, die nicht notwendigerweise mit der des Arbeitgebers übereinstimmen muss.

Für regierungskritische Personen bot sich auch eine weitere Möglichkeit an, um den Menschen zu helfen. So formierte sich eine private Bewegung, auf die der Ethereum-Gründer Vitalik Buterin in seinem Tweet am 26. Februar hinwies. Unter der Bezeichnung „UkraineDAO“ formierte sich eine dezentrale und autonome Organisation mit Privatpersonen aus den verschiedensten Lebensbereichen (z.B. Künstler, Aktivisten, Influencer). Die DAO wirbt damit, dass 100% der Spendengelder an die ukrainischen Bürger gehen und nutzt dazu die Transparenz von Kryptowährungen, um dies sicherzustellen. Auf der eigenen Homepage wird ferner angeführt, dass traditionelles Fiat-Geld von zentralen Institutionen kontrolliert und bewusst zu Ungunsten der Bürger verschoben werden könnten. Als Vertrauensnachweis (oder „Proof of Authenticity“) werden z.B. auf die öffentlichen einsehbaren Transaktionen auf den Plattformen Etherscan und Zora hingewiesen (Quellen: Etherscan, UkraineDAO, Zora).

2. Spendeneinnahmen durch NFT-Verkaufserlöse

Die Initiative der UkraineDAO bot zu Beginn über die spezialisierte Plattform „PartyBid“ den Kauf eines Non-Fungible Tokens (NFT) an. Die Plattform selbst wurde wiederum von einer dezentralisierten Software Organisation mit der Bezeichnung „PartyDAO“ entwickelt und bündelt Gelder verschiedener Anleger, um ein gemeinsames NFT-Projekt zu finanzieren (Quelle: PartyBid). Im vorliegenden Falle sind die Anleger diejenigen, die Spenden für die Opfer des Ukraine-Kriegs vornehmen. Die Ukraine-NFT-Flagge wurde somit am 3. März für 2174 ETH ersteigert. Als Zeichen der Dankbarkeit erhielten die Spender im Gegenzug sog. „$LOVE Token“, die einen symbolischen Wert besitzen und als positives Signal der Unterstützungsleistung im Ukraine-Krieg dienen sollen. Der Wert des Tokens liegt zum Zeitpunkt der Verfassung des Artikels bei ca. 0,51 EUR pro Token (Quelle: Coinmarketcap).

Die UkraineDAO ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie Privatpersonen sich schnell und erfolgreich für eine gute Sache zusammentun können. Dabei ist die Transparenz ein entscheidender Faktor, um Vertrauen zu gewinnen und somit auch Personen, die kritisch gegenüber Spendenaktionen stehen, zu überzeugen. Die Blockchain-Technologie zeigt hierbei wieder ihre vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten.“

Cam-Duc Au, FOM Hochschule

Fazit: Spannendes Konzept, aber nicht jede DAO ist eine DAO

Zweifelsohne besitzt das Konzept der DAOs spannende Aspekte, die konträr zu dem Top-Down-Ansatz in traditionellen Unternehmen stehen. Eine funktionierende DAO-Governance oder Unternehmensstruktur auf Code-Basis ermöglicht viele Vorteile, an denen die Mitglieder bzw. die Community direkt partizipieren können. Auch der charakteristisch hohe Automatisierungsgrad durch den Einsatz von Smart Contracts kann zu Effizienz- und Skalierungsvorteilen führen (Quelle: Cointelegraph, Deutsche Bank, Zeit).

Das Beispiel der UkraineDAO zeigt eindrucksvoll, wie eine Handvoll Privatpersonen in kürzester Zeit eine großangelegte Spendenaktion auf Basis digitaler Assets vornehmen konnte. Allerdings ist hierbei anzumerken, dass es sich augenscheinlich noch um manuelle Prozesse innerhalb der Organisation handelt (z.B. Einbindung PartyBid, Wallet-Transaktionen). So geht aus den öffentlich verfügbaren Informationen zur UkraineDAO nicht hervor, ob Smart Contracts eingesetzt werden. Ferner besitzt der $LOVE Token keinerlei Mitbestimmungsrechte für die Spender, sondern fungiert primär als symbolisches Friedenszeichen (kein Utility-Token). Es ist auch von Beginn an festgelegt, dass die Spendengelder an die gemeinnützige Initiative „Come Back Alive“ übergeben werden, sodass Spender nicht über die Geldverwendung mitbestimmen konnten (Quelle: savelife). Inwiefern die UkraineDAO weitere Schritte hin zu einer „vollständigen“ DAO plant, sind noch nicht bekannt. Es bleibt allerdings festzuhalten, dass die Blockchain-Technologie in dem angeführten Ukraine-Beispiel entscheidende Elemente als Unterstützungsbeitrag für die Kriegsopfer leistet.

Wie die Zukunft der DAO aussieht, ist noch ungewiss (Quelle: TechCrunch). Ähnlich wie die Blockchain und Bitcoin-Technologie hat sie sich unbemerkt in kürzester Zeit entwickelt. Hervorzuheben ist, wie so oft bei Blockchain-Konzepten, die absolute Dezentralität und die Autonomie (Quelle: Fortune). Dies ist aber auch eine Schwäche. So lassen sich Rechenschaftspflicht, Sicherheit, Transparenz und Demokratie in einer DAO als kritische Aspekte herleiten, denen eine besondere Aufmerksamkeit zukommen muss (Quelle: Chohan, S. 4). Nicht alle Organisationen sollten dezentral und autonom aufgestellt sein. Gerade hoheitliche Aufgaben wie Sicherheit, wirtschaftliche Stabilität, Währung oder Gesundheit sollten weiterhin zentral strukturiert sein, auch wenn die Blockchain-Technologie hier Prozesse verschlanken kann. Der Anwendungsbereich der DAO wird sich aus Sicht der Autoren eher auf Beispiele wie das hier vorgestellte fokussieren.von Prof. Dr. Svend Reuse und Cam-Duc Au

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