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MEINUNG16. Juli 2015

FinTechs, Banken oder Internetgiganten: Wer gewinnt den Kunden?

Nadja Schlössel PASS Consulting Group
Nadja Schlössel, PASS Consulting GroupPASS Consulting Group

Es gibt sicher vielfältige Szenarien, die man für die Zukunft entwerfen könnte. Das ist wie mit dem eigenen Leben – das geht ja angeblich mit 18 los. Volljährig sind die FinTechs noch nicht. Eher zwei. Aber nichtsdestotrotz ist es das erste Mal in der Geschichte der (sehr alten) Banken, dass etwas auf ihrem Markt passiert, das sie nicht selbst initiiert haben. Baby gegen Greis also?

von Nadja Schlössel, PASS Consulting Group

Nein, das wäre zu kurz gegriffen. FinTechs mögen die Ideen auf ihrer Habenseite verbuchen. Die Banken aber verfügen über die Kunden und das volle Programm. FinTechs sind davon weit entfernt – sie knabbern nur einzelne Teile der Wertschöpfungskette an. Bei dem bislang geringen Volumen stört das die „Senioren“ weniger. Auch in unserer Studie „Das FinTech-Universum im B2B“ stellten wir fest, dass FinTechs in weiten Teilen eher auf Kooperation aus sind, denn den Frontalangriff zu wagen. Aber daneben gibt es noch ein paar weitere Figuren auf dem Spielfeld.

Internetgiganten können den halben Kuchen wegessen

Und diese Figuren sind dem Kleinkindalter bereits entwachsen. Im Vergleich zu den Banken sind sie reife Teenager, haben es in Sachen Erfolg aber schon sehr früh zu etwas gebracht. Amazon, Google, Apple, Facebook – sie beginnen, an der Wertschöpfungskette der Banken zu rütteln. Und das teilweise mit Bankenlizenz. Damit sind den Internetgiganten keine Grenzen mehr gesetzt. Sie können nach Lust und Laune Bankdienstleistungen anbieten. Und sie haben etwas, das Banken auch haben – nur viel, viel mehr davon: den Zugang zu Kunden, enorm vielen Kunden. Milliarden. Überall. Fast ohne Grenzen.

Amazon könnte sich ein beachtliches Stück vom Kuchen abschneiden

Der riesige Ozean aus Kunden ist noch lange nicht alles. Betrachtet man zum Beispiel das Kreditgeschäft und hier Amazon und lässt das Unternehmen Kredite vergeben… Ja, was dann? Laut statista.com hat der Online-Versandhändler unter den deutschen Internetnutzern eine Reichweite von knapp 46 Prozent. Davon können Banken in der Regel nur träumen, von FinTechs ganz zu schweigen. Auf amazon.de tummeln sich monatlich satte 24,8 Mio. Besucher und viele davon kaufen auch etwas. Die meisten haben eine Kaufhistorie bei Amazon und hinterlassen eine Unmenge an Daten. Sie suchen nach Produkten: das ermöglicht u.a. Rückschlüsse auf ihren Kautyp, persönliche Einstellungen und ihren Status – Big Data lässt grüßen. Kreditvergabe auf der Basis dieser Daten? Mit diesem umfänglichen Wissen? Und vor dem Hintergrund, die Nachfrage auf seiner Seite zu haben? Wirkt wie ein Sechser im Lotto.

Wer mit dem Essen beginnt, wird hungriger, bevor er satt wird

Amazon übt sich aktuell schon an der Kreditvergabe für ihre Marketplace-Händler. Es ist sicher nur eine Frage der Zeit, bis der Einkaufsprozess eine zusätzliche Option erhält: den Kauf auf Raten. Was große Versandhäuser schon lange anbieten, kann auch bei Amazon für mehr Verkäufe sorgen. Bei meinem Kühlschrankkauf werde ich demnächst aussuchen können, ob ich die 747 Euro per Lastschrift, Kreditkarte oder eben in Raten abstottere. Und ich werde einen sehr individuellen Zinssatz erhalten. Von 0 bis XY Prozent – je nachdem, wie vertrauenswürdig mein Verhalten in der Vergangenheit war. Wenn der Algorithmus präzise arbeitet, wird das Ausfallrisiko für Amazon gering sein.

Warum sollte sich Amazon auf diese Kredite beschränken?

Sie könnten ihre Daten und den Zugang zu der immensen Anzahl von Kunden (weltweit 260 Millionen aktive Accounts) auch nutzen, um mir den Kredit für mein neues Auto zu gewähren. Oder für die schicke Eigentumswohnung in Berlin-Kreuzberg. Und dann könnte doch Amazon auch gleich die passenden Versicherungen zum Kredit verkaufen: die Risikolebensversicherung, mit der ich mein eigenes Stück Kreuzberg absichere, zum Beispiel. Kooperationen mit FinTechs sind dabei absolut denkbar. Diese könnten Technologien für die Antragsstrecken liefern, die Legitimierung sicherstellen oder Ideen für Versicherungsprodukte beisteuern, die auf individuellen Bedürfnissen der Kunden fußen, anstatt einem statischen One-model-fits-all-Ansatz zu folgen.

Am Ende ist der Kuchen für die Banken im Consumer-Geschäft fast weg

So vieles ist denkbar. So vieles noch in den Kinderschuhen. Aber der Hunger der Internetgiganten nach neuen Ideen und Geschäftsmodellen führt unweigerlich zu Finanzdienstleistungen aus der Hand von Amazon, Google, Facebook & Co. Damit könnten Banken nach und nach in die reine Rolle des Abwicklers im Hintergrund gedrängt werden – ohne Kundenkontakt und mit nennenswerten Verlusten ihrer Wertschöpfungskette.

Ich wage eine Prognose: Ein Großteil der FinTechs wird über kurz oder lang entweder verschwinden oder gefressen.

Denn wie wir in unserer Fin-Tech-Studie festgestellt haben, besitzen die meisten B2B-FinTechs zwar ein hohes Markt- aber nur ein geringes Eruptionspotenzial – d.h., sie sind auf Kooperationen angewiesen. Die Frage ist, ob es die deutschen Banken schaffen, rechtzeitig in die richtigen FinTechs zu investieren und deren innovativen Ideen in ihre Angebote zu integrieren. Nur dann haben sie eine Chance, sich langfristig gegen den Wettbewerb der Internetgiganten zu behaupten. Die Frage wird für sie am Ende lauten: Fressen oder gefressen werden?aj

Autor Nadja Schlössel
Nadja Schlössel ist seit über zwei Jahren als Innovation Consultant im Bereich Business & Strategien bei PASS Consulting tätig. Mit ihrem Marketing-, Innovationsmanagement und Business-Strategie-Know-how berät sie u.a. Banken und Versicherer rund um Webseiten und den Online-Vertrieb (z.B. im Rahmen von Benchmarks). Außerdem ist sie für den gesamten Marktforschungsprozess der vielfältigen PASS Online-Studien, von der Konzeption und methodisch-inhaltlichen Entwicklung bis hin zur Erstellung der Studie mitverantwortlich.

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