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STRATEGIE19. Mai 2022

Warum ist der digitale Euro sinnvoll? Burkhard Balz begründet CBDC auf der BaFin-Tech 2022

Burkhard Balz, Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank<q>Bundesbank
Burkhard Balz, Vorstandsmitglied der Deutschen BundesbankBundesbank

Der digitale Euro kommt. Aber nicht vor 2026. Die Europäische Zentralbank plant die Entwicklung einer digitalen Version des Euros mit dem Ziel, bis En­de 2023 zu ent­schei­den, ob er rea­li­siert wer­den soll (was min­des­tens 3 wei­te­re Jah­re dau­ert). Burk­hard Balz (Mit­glied des Vor­stands der Deut­schen Bun­des­bank) warf auf der BaFin-Tech 2022 einen Blick auf Sinn, Beweggründe und Heraus­for­derungen.

Auf der ganzen Welt arbeiten Zentralbanken an CBDC-Konzepten und Prototypen. Nigeria und die Bahamas haben bereits digitales Zentralbankgeld eingeführt. China führt umfangreiche Pilotversuche durch. Vor diesem Hintergrund sprach Balz darüber, „warum“ ein digitaler Euro sinnvoll sein könnte, „was“ dieser leisten könnte und über das Timing.

Ist der digitale Euro sinnvoll? Ja, um gegen BigTechs zu bestehen.

1. Der erste Grund betrifft die strategische Souveränität im europäischen Zahlungsverkehr. EZB-Präsidentin Christine Lagarde brachte die Zielrichtung auf den Punkt:

In a more digital economy, we also need to ensure the strength and autonomy of European payment systems.”

Zwar können europaweit SEPA-Zahlungen gesendet und empfangen werden. Jedoch gibt es bisher keine einfache, universell und paneuropäisch einsetzbare Zahlungslösung von europäischen Anbietern. Stattdessen ist man auf internationale Kartensysteme und Internetbezahlverfahren von BigTechs angewiesen.

BigTechs machen sich die Reichweite ihrer Plattformen zunutze. Häufig setzen sie ihre eigenen Regeln und Standards. Sie schränken damit, so Balz, die Nutzungs- und Zugangsrechte für Dritte ein. In der Folge sind Wettbewerb und Marktneutralität im Zahlungsverkehr gefährdet. So habe die EU Kommission festgestellt, dass Apple mit der Begrenzung der NFC-Schnittstelle auf das kontaktlose Bezahlen mit Apple Pay den Wettbewerb behindert.

ZV darf nicht “walled garden” werden

Plattformen dürfen nicht dazu führen, dass sich der Zahlungsverkehr der Zukunft in fragmentierten „walled gardens“ abspielt. In dieser Hinsicht sei der Vorstoß von Facebook, heute Meta, mit Libra eine Art private „Weltwährung“ zu schaffen, ein Weckruf gewesen. Ebenso müssen die Entwicklungen anderer Nationen im Blick behalten werden: In China wird der e-Yuan in der Praxis getestet.

In diesem Zusammenhang geht es aber nicht nur um die Währung, sondern um technologische Führerschaft, um dominierende Standards und multilaterale Plattformen.

2. Der zweite Grund, warum ein digitaler Euro sinnvoll sein könnte: Die Menschen bezahlen seltener mit Bargeld. So wird im stationären Handel 40 Prozent des Umsatzes an der Ladenkasse mit Münzen und Scheinen abgewickelt. Im Jahr 2019 waren es noch 8 Prozentpunkte mehr. Hinzu kommt der wachsende Online-Handel mit neuen Geschäftsmodellen – von Lieferdiensten über das Streaming digitaler Inhalte bis hin zu direkt im Auto integrierten Zahlungsmöglichkeiten.

Digitaler Euro? Burkhard Balz begründet auf der BaFin-Tech 2022 den CBDC-Sinn
Bundesbank

Bargeld ist jedoch bislang die einzige Form von Zentralbankgeld, die für die ganze Bevölkerung zugänglich ist. Im E-Commerce ist Bargeld nicht verwendbar. Es stellt sich die Frage, ob Zentralbankgeld nicht in einer zunehmend digitaleren Welt ebenso universell und verfügbar sein sollte wie Bargeld in der analogen.

3. Drittens, könnte ein digitaler Euro später digitale Prozesse unterstützen, vor allem, wenn er in programmierbaren Umgebungen verwendet werden könnte. Damit wären eventuell vollständig automatisierte Zahlungen auf Grundlage von Smart Contracts einschließlich ganz neuer Anwendungsfälle im Internet der Dinge vorstellbar.

4.Viertens: BigTechs verstehen es, große Datenschätze zu sammeln und gewinnbringend zu verwerten. Mit den Vorschlägen zum Digital Services Act und Digital Markets Act versucht nun der europäische Gesetzgeber, Gatekeeper einzuhegen, sowie mehr Wettbewerb, Daten- und Verbraucherschutz zu ermöglichen. Decentralized Finance, Bitcoin, Ethereum & Co sind nicht so dezentralisiert, frei und gleich, wie einige es allzu eifrig verbreiten. Gleichzeitig sind die allermeisten Anwender weiter auf Intermediäre angewiesen, um Decentralized Finance (DeFi) zu nutzen oder Krypto-Assets zu kaufen. Soll das enorme Potenzial, das in der Nutzung von Krypto-Token und Stablecoins liegen kann, nicht in den Händen Weniger belassen werden, muss zügig gehandelt werden.

Zum einen ist eine angepasste Regulierung und Aufsicht notwendig. Die auf EU-Ebene geplante Verordnung zu Markets in Crypto Assets – MiCA – legt hierfür eine erste gute Grundlage.”

Was kann ein digitaler Euro leisten?

1. Neben Bargeld und Einlagen auf Konten der Notenbank wäre ein digitaler Euro eine dritte Form von Zentralbankgeld. Grundsätzlich könnte er effiziente, moderne, digitale Zahlungen mit paneuropäischer Reichweite verbinden.
2. Ein digitaler Euro würde die „Ankerfunktion“ des staatlichen Geldes in unserem zweistufigen Geldsystem absichern. Das heißt, der Euro stünde weiter als Backup bei sehr dynamischer Marktentwicklung zur Verfügung. So könnten die EZB und die nationalen Zentralbanken im Eurosystem – entsprechend ihrem Mandat – weiter für einen sicheren und effizienten Zahlungsverkehr sorgen.
3. Bargeld würde sinnvoll ergänzt. Denn die Menschen könnten somit im digitalen Raum auf ein gesetzliches Zahlungsmittel zugreifen, das sicher, kostengünstig und wertstabil wäre.
4. Der digitale Euro könnte allen Bevölkerungsgruppen einen einfachen und bequemen Zugang zu einem digitalen Zahlungsmittel bieten, auch für weniger digital Affine. Eine Offline-Funktionalität wäre ebenfalls sinnvoll.
5. Gleichzeitig wäre die Herausgabe eines digitalen Euro frei von geschäftlichen Interessen. Die bei der Zahlung entstehenden Daten würden durch die Zentralbanken nicht kommerziell verwertet.
6. Nicht zuletzt könnte ein digitaler Euro bei der Entwicklung paneuropäischer digitaler Ökosysteme helfen.

Grundsätzlich gilt für die Akzeptanz: Der digitale Euro muss den Bedürfnissen der Nutzer dienen.

Um mehr darüber zu erfahren, hat das Eurosystem in Fokusgruppen verschiedene Bevölkerungsgruppen und kleinere Händler nach ihren Erwartungen sie an ein solches Zahlungsmittel gefragt.

Die Zahlerinnen und Zahler wünschen sich eine Lösung, die
1. sich für möglichst viele Einsatzgebiete eignet,
2. sicher und verlässlich ist sowie
3. überall im Euroraum angenommen wird, und wenn möglich, darüber hinaus.
4. Sie soll technisch einfach und kostenlos zu nutzen sein
5. die Privatsphäre schützen und
7. sicher sein.

Allerdings geht es bei der Diskussion um den digitalen Euro nicht nur um Nutzerbedürfnisse, technische Anforderungen sowie gesamtwirtschaftliche Chancen und Risiken, die Zentralbanken abwägen müssen: Der digitale Euro ist auch ein politisches Projekt.

Den rechtlichen Rahmen wird ein Legislativvorschlag vorbereiten, den die EU-Kommission bis Anfang 2023 vorlegen will. Dazu führt sie noch bis zum 14. Juni eine öffentliche Konsultation durch.

Wann könnte eine Entscheidung über den digitalen Euro fallen?

Im Juli 2021 beschloss der EZB-Rat, ein formelles Projekt zum digitalen Euro einzurichten. Seit Oktober 2021 arbeiten nun die Expertinnen und Experten des Eurosystems in einer sogenannten Untersuchungsphase an spezifischen Fragen zur potenziellen Ausgestaltung eines digitalen Euro.

Interessant seien dabei verschiedene Anwendungsfälle für Verbraucherinnen und Verbraucher, Unternehmen und ggf. den Staat. Auch maschinelle Zahlungen im Rahmen des Internets der Dinge sind vorstellbar.

Ende 2023 wird das Eurosystem dann entscheiden, ob es in die Realisierungsphase eintritt. Diese könnte drei Jahre in Anspruch nehmen. Sie umfasst die Entwicklung und Erprobung technischer Lösungen und Regelwerke, die für die Ausgabe eines digitalen Euro erforderlich sind.aj

Die vollständige Rede von Burkhard Balz finden Sie hier.

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