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STRATEGIE22. November 2022

Semantic Folding: Wo Sprachverarbeitung dem Menschen überlegen ist – und was es für Banken bedeutet

KI-Experte: Francisco Webber, Cortical.io
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Kaum eine Zukunftstechnologie ist so vielversprechend wie die der Künstlichen Intelligenz (KI). Der Grund dafür liegt auf der Hand, denn sie bietet nicht nur für Branchen wie die Medizin herausragende Potenziale – auch der Finanzsektor kann maßgeblich profitieren, beispielsweise indem Betrugsversuche verhindert oder Kreditanfragen vollautomatisch bewertet und abgewickelt werden. Kein Wunder also, dass laut einer PwC-Umfrage bereits 2020 knapp die Hälfte aller Entscheider KI als eine wichtige Innovation erachteten. Aber KI ist nicht gleich KI. Denn während Monte-Carlo-Simulationen und Benford’s Law seit Langem Projektionen und Anomalien vorhersagen und erkennen, ist die Sprachverarbeitung noch seltener anzutreffen.

von Francisco Webber, Cortical.io

Lange galt die Verarbeitung von Sprache als kompliziert. Denn, es reicht nicht aus, die Buchstabenfolge dieses Wortes zu kodieren, um den Sinn dahinter zu verstehen. Stattdessen geht es um die Semantik. Begrifflichkeiten je nach sprachlichem Kontext voneinander zu unterscheiden und Sätze mit ähnlichem Sinn zu erkennen, auch wenn andere Wörter verwendet werden, ist für den Menschen kein Problem. Für eine Maschine ist dies allerdings sehr viel komplizierter, aber keines Falls weniger gebraucht. Schließlich ist es genau die textlastige Arbeit, die Finanzexperten gerne automatisieren möchten. Mit Recht – denn die Aufgaben werden in vielerlei Hinsicht von Maschinen besser erfüllt.

Konsistenz: Der große Vorteil maschineller Sprachverarbeitung

Im Hinblick auf die Konsistenz ist das zum Beispiel sehr eindeutig. Maschinen können im Gegensatz zu Menschen Tausende von Dokumenten schnell und genau prüfen, ohne dabei Fehler zu machen. Die Fehlerquote bleibt also ungeachtet der Tageszeit konstant. Und die Ergebnisse sind unabhängig von der Expertise. Das ist wichtig, denn Menschen neigen dazu, Informationen besonders in geschriebener Form, unterschiedlich zu interpretieren. Das wird sowohl bei der Auslegung neuer Verordnungen wichtig, wie auch bei der Vergabe eines Kredits. Und natürlich wird es mit der Automatisierung auch deutlich schneller und somit günstiger:

Maschinen reduzieren den manuellen Arbeitsaufwand bei der Überprüfung von Dokumenten erheblich. Große Unternehmen können so Zehntausende von Stunden an alltäglicher, sich wiederholender Arbeit einsparen und effizientere Ergebnisse erzielen.”

Neue Chancen für mehr Effizienz

Autor Francisco Webber, Cortical.io
Francisco Webber ist Mitbegründer und CEO des österreichischen KI-Unternehmens Cortical.io (Webseite). In Anlehnung an aktuelle neurowissenschaftliche Erkenntnisse hat Francisco Webber seine Theorie der Semantischen Faltung entwickelt, die modelliert, wie das Gehirn natürliche Sprache verarbeitet. Cortical.io wendet diese Prinzipien auf maschinelles Lernen und Textverarbeitung an, um erfolgreiche kommerzielle KI-Lösungen für die effiziente Suche, Extraktion und Analyse von unstrukturiertem Text zu entwickeln.

In geschäftlichen Zusammenhängen kommen vor allem Sprachassistenten immer häufiger zum Einsatz, um mithilfe von KI einen praktischen Mehrwert zu erzielen. Auch Banken machen von den Vorteilen, die diese Technologie mit sich bringt, inzwischen gerne Gebrauch. So können Chatbots Informationen wie die Kund:innennummer und Grund der Kontaktaufnahme abfragen, um die Bearbeitung der Anfrage zu beschleunigen. Dadurch lässt sich die Effizienz der Mitarbeiter erhöhen und gleichzeitig Kosten senken – laut PwC die zwei wichtigsten Ziele, die Banken in der DACH-Region aktuell mithilfe von KI verfolgen.

Tatsächlich geht das, was sich mithilfe von Natural Language Processing erzielen lässt, aber noch weit über diese simple Implementierung von Chatbots hinaus. Im Finanzsektor fallen täglich Unmengen an schriftlichen Informationen an. Dazu zählen nicht nur Dokumente wie E-Mails und Präsentationen. Vor allem Kreditverträge sind äußert komplex und individuell, wobei die festgehaltenen Klauseln auf jeden einzelnen Anwendungsfall spezifisch zugeschnitten sind. Ein solcher Vertrag kann im Falle eines Großkunden schnell mehrere hundert Seiten umfassen. Diese manuell zu überprüfen und zu sortieren, ist ein extrem langwieriger und fehleranfälliger Prozess, der Banken nicht nur einen großen Teil ihrer personellen Ressourcen, sondern auch viel Geld kostet.

Semantic Folding als potenzieller Lösungsansatz

Um Banken, die viele Verträge und ähnlich komplexe Schriftstücke prüfen müssen, eine Lösung aufzeigen zu können, kommt an dieser Stelle das sogenannte Semantic Folding ins Spiel. Genau wie bei neuronalen Netzen handelt es sich hierbei um ein Textkodierungssystem, das unbeaufsichtigtes Lernen nutzt, um Sprachmodelle zu erstellen. Anders als die neuronalen Netze, die sehr viele Trainingsdaten benötigen, um ein einfaches Sprachmodell auf einen konkreten Anwendungsfall anzupassen, kann das Semantic Folding allerdings schon mit etwa zehn Prozent der Datensätze funktionieren und benötigt sehr viel weniger Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und vor allem weniger geschulte IT-Experten. Semantic Folding kodiert Text in Vektoren, was rechnerisch viel effizienter ist als dichte, floating-points Vektoren wie in anderen Word-Embedding Ansätze. Das bedeutet, dass für das Semantic Folding generell weniger Ressourcen aufgewendet werden müssen und die Zeit bis zur tatsächlich Wertschöpfung deutlich reduziert werden kann.

Auf dem internationalen Finanz- und Versicherungsmarkt gibt es bereits Unternehmen, die diese neue KI-Technologie erfolgreich einsetzen, um Schlüsselinformationen aus Kreditverträgen zu extrahieren und die Klassifizierung von Klauseln zu automatisieren. Einstiegsprojekte sind schnell umsetzbar, weil weniger als hundert Beispielverträge benötigt werden, um die Modelle zu trainieren.

So ist es möglich, bereits wenige Wochen nach dem Start vollautomatisch wichtige Informationen aus verschiedenen Dokumenten wie Kreditverträgen, Schuldscheinen oder Änderungsanträgen zu klassifizieren, zusammengehörige Dokumente zu clustern und einen vollständigen Überblick über ein Portfolio zu erstellen.”

Dadurch lässt sich das Kreditrisiko sehr viel schneller und akkurater bewerten, als es durch die manuelle Auswertung jemals möglich gewesen wäre. Zum Beispiel konnte ein Versicherungsunternehmen, das zu den Fortune 500 zählt, dadurch sogar ein knappes Drittel der manuell aufzuwendenden Arbeit einsparen.

Die Zukunft der Banken liegt im Natural Language Processing

Genau wie jede andere Branche verfügt auch der Finanzsektor über ständig wachsende Mengen an Daten – und das nicht nur als Zahlen, sondern vor allem auch Daten in schriftlicher Form. Diese manuell zu analysieren in einer Welt, die sich von Jahr zu Jahr schneller dreht, können sich Unternehmen kaum noch leisten. Die gute Nachricht ist, dass im Bereich des Natural Language Processing durch Tech-Giganten wie Google umfangreich geforscht wird. Die größte Herausforderung besteht nun allerdings darin, die komplexen Algorithmen aus den Laboren in die Geschäftswelt zu überführen und an deren praktische Anwendungsfälle anzupassen. Die komplexen IT-Infrastrukturen, die nötig sind, um dies zu bewerkstelligen, kann sich nicht jedes Finanzunternehmen leisten. Deshalb ist es wichtig, dass sich das Natural Language Processing in die Richtung einer hocheffizienten KI entwickelt – und das Semantic Folding ist ein elementarer Teil davon.

Mithilfe dieses Textkodierungssystems ist es schon jetzt möglich, Verträge und andere Schriftstücke vollautomatisch zu überprüfen und zu sortieren und viele Arbeitsprozesse zu beschleunigen.”

Andere Anwendungsbereiche stehen bevor. Ohne solch einen effizienten Ansatz wird die KI nie unsere Geschäftswelt revolutionieren können.Francisco Webber, Cortical

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