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INDUSTRIALISIERUNG IM KREDITGESCHÄFT29. Juni 2015

Versäumen Banken die Chance der neuen Technologie?

Tomas Rederer, Partner bei CapcoCapco
Tomas Rederer, Partner bei CapcoCapco

Die Bankbranche steht nach wie vor unter enormen Druck, ihre Kosten massiv zu senken und ihre Strukturen zu flexibilisieren. Eines der zentralen Konzepte zur Umsetzung dieser dringlichen Herausforderung ist die Industrialisierung bestehender Prozesse. Und obwohl dieser Weg augenscheinlich bekannt ist und mehr noch seit Jahren diskutiert wird, gehen viele Institute die notwendigen Restrukturierungen nur zögerlich an oder sind in der Umsetzung inkonsequent. Tomas Rederer, Partner bei Capco, hat sieben Gründe und mögliche Lösungen dafür ausgemacht.

von Tomas Rederer, Capco

Banken haben oft einen schwerfälligen Charakter. Tomas Rederer hat dafür sieben Gründe ausgemacht und gibt Tipps für die dazu passenden Lösungsansätze:

Gesamtsicht oder Vision verfolgen

Autor Tomas Rederer
Tomas Rede­rer ist Partner bei Capco ei­nem Anbie­ter von Be­ra­tungs-, Tech­no­logie und Trans­formati­ons­dienst­leis­tun­gen, die spezi­ell für die Fi­nanzdiesntleis­tungs­bran­che ent­wickelt wur­den. Rede­rer arbeitet seit über 17 Jah­ren im Be­reich Consulting und hat umfang­rei­che Fi­nanzdienst­leis­tungs- und Be­ra­tungs­erfahrung mit Fokus auf das Firmenkun­den- und Kreditge­schäft bei natio­na­len sowie in­ternatio­na­len Banken. Er ist bei Capco zudem un­ter an­de­rem ver­antwortlich für die Betreuung von Landesbanken, Förderbanken und Spezi­alfi­nanzie­rern.
Vielen Instituten fehlt nach wie vor eine Gesamtsicht oder Vision, häufig hapert es schon an einem schlüssigen mittelfristigen Plan. So werden vorrangig Einzelmaßnahmen aus der Silosicht einzelner Bereiche durchgeführt, die nicht in die Gesamt­ent­wicklung der Organisation passen. Die kurzfristigen Maßnahmen fördern zwar vorübergehende Linderung der bestehenden Herausforderungen, besitzen jedoch keine langfristige Nachhaltigkeit. Lösungsansatz kann ein sogenannter kreditfachlicher Bebauungsplan sein, wie er beispielsweise von einer führenden Landesbank konsequent erstellt und umgesetzt wurde. Dieser Bebauungsplan definiert die prozessuale, IT-technische und steuernde Zielstruktur und alle Maßnahmen richten sich daran aus.

Bereitschaft zum radikalen Umbau

Vielen Banken mangelt es an ausreichender Konsequenz in der Industrialisierung: So wird die Fokussierung auf die Wert­schöpfungs­kette sowie der radikale Umbau der IT unter Berücksichtigung der heutigen Digitalisierungsmöglichkeiten zu selten zielgerichtet vollzogen.

Die deutlich besseren Möglichkeiten zur Prozessauslagerung auch in komplexen Prozessen wie der Kreditbearbeitung sowie die Unterstützung durch spezialisierte Dienstleister sollten genutzt werden. Aus den Fehlern und Herausforderungen der Vergangenheit rund um Vendor Management, IT-Schnittstellen und Prozessintegration hat der Markt gelernt und bietet individuelle Lösungen.

Industrialisierung differenzieren

Banken wenden Industrialisierungsmaßnahmen zu oft undifferenziert in ihren verschiedenen Geschäftssegmenten an, zum Beispiel wenn Maßnahmen aus dem Retail Banking nicht ausreichend modifiziert auf das Firmenkundengeschäft übertragen werden. Wie das Beispiel einer Schweizer Großbank zeigt, kann die Übertragung von erfolgreichen Prozessen aus dem Retail Banking wie automatisierte Kreditentscheidungen auch im Firmenkundengeschäft effizient genutzt werden. Dies verlangt vorrangig, dass man mit Augenmaß die im Firmenkundengeschäft geforderten Spezifika berücksichtigt.

Produkte modular aufbauen und dabei Standards nutzen

Der Faktor Standardisierung wird zu wenig genutzt. So trauen sich nur wenige Banken beispielsweise an die Standardisierung von Produkten, um ihren Kunden gegenüber keine Kompromisse eingehen zu müssen. Am Beispiel einer US-amerikanischen Großbank kann man sehen, dass dieser Konflikt sehr wohl lösbar ist. So haben die Verantwortlichen dort durch eine konsequente Analyse der Profitabilität, der Produktähnlichkeit, der Produktwechselbereitschaft der Kunden, aber vor allem der Produktmodularisierung eine Reduzierung der Produkte um mehr als 40 Prozent erreicht.

Prozesse end-to-end transparent gestalten

Oft fehlt schlicht die Transparenz über die eigenen Prozesse. So liegen häufig keine verlässlichen Zahlen zu Prozesskosten, Mengen(-entwicklung) oder Kapazitäten je Aufgabe vor, sodass Maßnahmen zur Abwendung entwickelt werden könnten. Hier greifen die Maßnahmen ineinander: Ein end-to-end-Workflow liefert beispielsweise nicht nur erhebliche Effizienzen, sondern gleichzeitig auch Auswertungen zu vielen Prozesskennzahlen. Wichtiger aber ist es, eine Steuerungskultur aufzubauen, die diese Informationen als Grundlage einer kontinuierlichen Optimierung fest institutionalisiert.

Kulturellen Wandel und das mehr an IT begrüßen

Die Branche unterschätzt den kulturellen Wandel und die Notwendigkeit einer nicht nur oberflächlichen Kommunikation. So verstehen sich Mitarbeiter aus dem Bereich Firmenkunden häufig als „Manufakteure“ und sträuben sich nicht selten gegen eine gefühlte „Entmündigung durch die IT“. Erfolgreiche Industrialisierung sollte deshalb schrittweise vorangehen und die Organisation an eine zunehmend stärkere Steuerung durch die Systeme gewöhnen. Ein Prozess, der zu Beginn gut geplant und eng gesteuert werden muss, wie eine deutsche Großbank bereits gezeigt hat.

Mit Kooperationen Komplexität reduzieren

Die gewachsenen IT- Strukturen werden nicht ausreichend konsequent hinterfragt. In vielen Instituten werden aufgrund scheinbar übermächtiger Komplexität, eines nicht direkt zu fassenden Risikos und abschreckender Business Cases strukturelle IT-Umbauten nicht in Betracht gezogen. Dabei haben Banken gezeigt, dass mit innovativen Modellen wie Partnerschaften mit BPO-Anbietern oder Kooperationen mit anderen Banken die Investitionshürden und Risiken reduziert werden können.aj

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