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STRATEGIE17. Juli 2019

Bankprodukte: Konzentration aufs Wesentliche würde vielen Banken gut tun

Auf Individualisierung in der Kundenansprache sollten Banken erst dann setzen, wenn sie ihre Hausaufgaben gemacht haben (Foto: mcfields / Bigstock).

Eine individuelle Bankkarte in der Farbe Rhabarber, ein Bild vom bevorzugten Fußballverein auf der Kreditkarte – wann haben Banken eigentlich aufgehört, sich bei Bankprodukten auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren? Dabei wären sie doch damit oftmals auch ohne Individualisierung der Kunden-UI schon ausreichend ausgelastet, wie diverse IT-Pannen und Security-Probleme in der Banking-IT in den letzten Monaten zeigen.

Eine Lieblingskarte in fünf einzigartigen Farben von Aqua, Rhabarber über Sand und Schiefer bis Ozean können Kunden der Digitalbank N26 jetzt auswählen. Auch ihr App-Icon können sie individuell anpassen. Die Deutsche Bank und die DKB bieten individuelle Fotos auf den Karten, die Hypovereinsbank gar eine FC-Bayern-Mastercard.

Und als Kunde fragt man sich, wo das alles hinführen soll. Die Banken sollten sich wieder mehr auf ihr Kerngeschäft konzentrieren: Das Verwahren des Geldes, die schnelle und unkomplizierte Versorgung mit Bargeld und last not least für 90 Prozent der Dinge, die Kunden mit der Bank machen, eine gut erreichbare und zuverlässige IT und ein intuitiv zu bedienendes User Interface.

N26 You erfindet seine Premium-Mitgliedschaft neu, indem es mehr Personalisierung bietet (…) Kunden wählen nun je nach persönlichem Geschmack und Bedarf aus fünf verschiedenen Kartenfarben – Aqua, Rhabarber, Sand, Schiefer und Ozean. Darüber hinaus können N26 You-Kunden ihr N26 App-Icon anpassen und sie haben Zugriff auf zehn Spaces, die beliebteste Funktion von N26.“

N26 über die neue You-Mitgliedschaft

Frei nach Loriot „sie wollte auch mal etwas Eigenes“ versuchen die Banken, sich mit Individualisierung des Erscheinungsbildes voneinander abzuheben und verlieren dabei in vielen Fällen ihre Uniqueness. Wer berät Banken eigentlich dahingehend, dass der Kunde das will? Was der Kunde unbedingt und in erster Linie will, ist dagegen ein Höchstmaß an Zuverlässigkeit, einfaches Handling eines Kontos, gegebenenfalls ein offenes Ohr eines mehr oder weniger persönlichen Callcenter-Mitarbeiters oder Beraters in der Filiale, wenn’s doch mal klemmt oder sich der Kunde ungeschickt anstellt – und nicht zuletzt, dass sein Geld sicher verwahrt ist und es keine besonderen Vorkommnisse beim Abarbeiten von Aufträgen gibt. Wenn dann zusätzlich noch ein paar Details als Presets in der App definiert werden können und Notifications den Kunden über Geldzuflüsse und -abgänge informieren (diverse Digitalbanken haben hier in der Tat schöne Ansätze), dann ist das umso besser.

Einfachheit zählt beim Banking

Egal ob Digitalbank oder etabliertes Haus mit angestaubtem Image und großem Filialnetz: Es ist mit Banking Services ähnlich wie mit anderen Produkten: sie werden viel zu selten aus der Sicht des Kunden gedacht und konzipiert, sondern oft aus der Warte des Produktmanagements. Zahlengetrieben ist ja im Prinzip ein guter Ansatz, bringt Kunden aber an der Stelle oft nicht weiter. Denn bekanntermaßen (nach Ford) hätten die Kunden sich nicht ein Automobil gewünscht, sondern eine schnellere Kutsche. Wenn Banken heute überrascht sind von den Innovationen, die aus dem Silicon Valley kommen, dann hat das oft mit dieser Denke zu tun.

Doch unabhängig vom Erscheinungsbild – es interessiert mich als Kunden überhaupt nicht, ob das Logo der App jetzt blau, rot oder individuell kariert ist – gibt es ein paar Standardfeatures und eine grundsätzliche Herangehensweise, die allgemein geschätzt werden. Oder anders gesagt: Mach es dem Kunden so einfach wie möglich, das Produkt zu verstehen und es effizient einzusetzen.

privat

Der Simplicity-Ansatz, den nebenbei gesagt Google und Amazon immer wieder auf bemerkenswerte Weise unter Beweis stellen, ist den Banken allzu oft abhanden gekommen. Denn der Durchschnittskunde braucht niederschwellige Angebote, die sich quasi von selbst erklären und einfach zuverlässig funktionieren.“

Tobias Weidemann, Redakteur IT-Finanzmagazin

Was heißt das für die Entwicklungsabteilungen und IT-Verantwortlichen? Entwicklung sollte agiler werden, sich nicht nur in der Theorie am Rhythmus orientieren, den die FinTechs (und noch viel mehr die digitalen Großkonzerne) vorgeben – das haben wir, glaube ich, oft genug gepredigt. Doch zugleich braucht es im IT-Management Verantwortliche, die nicht jedem Zeitgeist panisch hinterherrennen, für die ein zuverlässig arbeitendes System oberste Priorität hat. Das klingt banal, ist es aber, wie man in vielen Banken hört, nicht. Der Druck, auch in schwierigen Zeiten mit geringen Margen aus dem Zinsgeschäft keine Kunden zu verlieren, im besten Fall sogar noch Marktanteile zu gewinnen, treibt manchmal wilde Blüten. Viele Produktmanager wissen, dass der Kunde immer weniger markentreu ist – schon im normalen Konsum, aber noch vielmehr bei der Wahl seiner Bank – und versuchen, die eigenen Produkte und Bankdienstleistungen mit immer mehr Features aufzuwerten. Doch was davon ist wirklich relevant, was ordnet der Kunde der eigenen Bank zu?

Eine Funktion, die es mir ermöglicht, schnell und einfach ein paar Zeilen aus einer Rechnung in die Banking-App zu kopieren und die dann noch zielsicher erkennt, was davon in welches Feld des Formulars gehört, ist zehnmal wichtiger als ein Kooperationsangebot, das mit den Versicherungen der Unternehmensgruppe daherkommt. Ein Schritt weniger beim Login, indem bei hinterlegtem Fingerabdruck gleich derselbe abgefragt wird, zählt mehr als irgendwelche Sonderangebote von Hotels oder Coworking-Spaces – noch dazu wenn man als Kunde den Verkaufsdruck geradezu durchs Web spürt.

Vielfalt der TAN-Systeme – gutes Beispiel für fehlende Intuitivität

Alleine wenn man sich anschaut, wie viele verschiedene Ansatzpunkte für TAN-Systeme es gibt, dann versteht man, warum so viele Kunden jetzt entrüstet darüber sind, dass ihnen ihre geliebte und gelernte TAN-Liste (meinetwegen noch als iTAN) genommen wird. Es geht um Usability, um intuitives Bedienen und um Banking ohne Schnickschnack. Übrigens ist dann auch das Kostenthema gar nicht mehr so relevant – denn wenn der Kunde nicht den Eindruck hat, alle möglichen Dinge mit zu bezahlen, die er gar nicht will, wird er auch nicht bei der nächsten Änderung der AGB oder des Preisverzeichnisses den Weg zum Mitbewerber nehmen.tw

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