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STRATEGIE11. Mai 2023

Digitale Baufinanzierung: Mensch plus Maschine – das Plädoyer für mehr persönliche Beratung trotz IT

Stefan Graß: Digitale Baufinanzierung: Mensch und Maschine im Doppelpack - ein Plädoyer für mehr persönlicher Beratung trotz IT
Cofinpro

Die Zinswende und drohende Sanierungszwänge setzen den Immobilien­markt zunehmend unter Druck. Das zwingt die Banken im Baufinanzierungsgeschäft zum Handeln. Neben der Digitalisierung könnte dabei auch eine Rückbesinnung auf bewährte Beratung und Methoden helfen.

von Stefan Graß, Partner bei Cofinpro

Die Effizienz- und Geschwindigkeitsvorteile der Digitalisierung sind unbestritten. Gerade bei beratungsintensiven Dienstleistungen wie der Baufinanzierung hilft der Computer, Risiken zu erkennen, verschiedene Szenarien durchzuspielen und aus der Vielzahl von Produkten das passende Angebot herauszufiltern. Aktuell lassen die Anbieter jedoch viel Potenzial liegen, da sie die Technik in erster Linie für Effizienzsteigerungen und eine höhere Transparenz bei den Konditionen nutzen, um die günstigste Lösung zu finden.

Eine Zusammenführung und Umsetzung digitaler Beratungs- und Antragsstrecken birgt für Banken die Gefahr, dass potenzielle Kunden mit den gesammelten Informationen, Ratschlägen und Hinweisen zu einem anderen Anbieter abwandern.”

Denn mit einem „fertigen Beratungspaket“ ist der arbeits- und informationsintensive Teil der Baufinanzierung abgeschlossen und die Kunden haben ausreichend Informationen vorliegen, um ihren Baufinanzierungspartner nur noch nach den Konditionen und nicht mehr nach der Beratungsleistung auszuwählen.

Dieser Abwanderung von Interessenten können Banken entgegenwirken. Hierfür ist es jedoch erforderlich, mit dem Mehrwert des eigenen Angebots zu überzeugen. Dies beginnt bei der intuitiven Bedienbarkeit und endet bei der Schaffung eines einzigartigen und nachhaltig wirkenden Kundenerlebnisses.

Die Erstellung eines maßgeschneiderten Beratungskonzepts gehört dabei genauso dazu, wie die persönliche und langfristige Begleitung über den Abschluss hinaus.”

Dies ist vergleichbar mit dem Prinzip erfolgreicher E-Commerce-Händler, bei denen die Kunden aufgrund der Einfachheit und des umfangreichen Warenangebots regelmäßig wieder bestellen, anstatt mühsam nach günstigeren Alternativen im Internet zu suchen. Im Fall der Baufinanzierung müssen also digitale Services (auf Wunsch auch über Self-Service-Prozesse) mit qualitativ hochwertiger Beratung so verknüpft und kombiniert werden, dass die Bank nicht nur als Informationsquelle, sondern auch als vertrauter Vertragspartner dauerhaft relevant bleibt. Ein möglicher Wechsel wäre für den Kunden mit Mehraufwand und dem Verlust von Mehrwertleistungen verbunden.

Beratung gewinnt an Bedeutung

Die aktuelle Marktsituation spielt vor allem den Anbietern in die Hände, die besonders gründlich und umfassend beraten. Denn nicht nur die Immobilien- und Zinskosten beeinflussen eine Finanzierung. Zusätzlich belasten steigende Energiekosten, rückläufige Neubauzahlen und energetische Sanierungszwänge das Budget erheblich. Für den Kunden bedeutet dies, dass eine individuelle und umfassende Beratung immer wichtiger wird.

Während noch vor einem Jahr vor allem Schnelligkeit zählte, ist heute die Beratungstiefe entscheidend.”

Welche Modernisierungskosten fallen an, wie könnten sich die Zinsen entwickeln und wie kann diese Entwicklung schon jetzt im Vertrag berücksichtigt werden? Banken müssen in dieser Situation mögliche Risiken und Handlungsoptionen transparent aufzeigen, Szenarien erstellen sowie Fördermöglichkeiten vermitteln.

Autor Stefan Graß, Cofinpro
Stefan Graß ist Partner bei der Cofinpro (Website). Er begleitet Banken bei der Digitalisierung des Kreditgeschäfts im Retail-, als auch im Non-Retailgeschäft. Neben der Einführung digitaler Produkte und Vertriebskanäle liegt sein Fokus in der digitalen Transformation der Kreditprozesse.
Wie wichtig hier die persönliche Beratung ist, zeigt das Beispiel der Einbindung von Fördermitteln, die aufgrund ihrer Höhe viele Immobilienträume erst ermöglichen. Diese Darlehen und Zuschüsse sollten zum Standard in der Baufinanzierung gehören, werden aber in der digitalen Baufinanzierung nur oberflächlich berücksichtigt. Bankberater können ergänzend zu den digitalen Vertriebskanälen aufgrund ihrer Branchenexpertise Förderkredite und Zuschüsse im Sinne des Kunden stärker berücksichtigen. Die Kombination aus digitaler Beratungs- und Abwicklungsunterstützung sollte den gesamten Prozess inklusive Einreichung des Verwendungsnachweises beinhalten.

Ohne einen hybriden Beratungsansatz inklusive Vernetzung von digitalen Antragsstrecken und Musterrechnern wird dies nicht gelingen. Denn den Banken fehlen zunehmend die Fachkräfte und die Mitarbeitenden müssen einen immer größeren Kundenkreis betreuen.

Um eine qualitativ hochwertige Beratung zu gewährleisten, ist es daher notwendig, dass Kunden auch selbst aktiv werden, also über digitale Tools eigenständig Informationen eingeben und eine Vorauswahl treffen.”

Wichtig sind dabei Omnichannel-Möglichkeiten, um Kunden unterschiedlicher Generationen über verschiedene Kanäle hinweg ein konsistentes Erlebnis zu bieten.

Die Chancen liegen in der hybriden Beratung

Mit den Möglichkeiten der digitalen Erstberatung und dem selbst erstellten Kundendossier können Banken die Vorteile des hybriden Beratungsansatzes voll ausspielen, da mehr Zeit für die eigentliche Beratungsleistung bleibt – und damit der Rahmen gegeben ist, um eine optimal passende Baufinanzierung zusammenzustellen. Aber:

Im Gegensatz zu anderen Digitalisierungsprojekten im Finanzbereich sollen Kunden nicht zu einer vollständigen digitalen Selbstabwicklung gedrängt werden.”

Vielmehr können sie den Grad der Einbindung und den Umfang der gewünschten Beratung selbst steuern. Dadurch gelingt es der Bank, die Kunden über die digitale Selbstberatung an das Thema heranzuführen und über den persönlichen Kontakt Vertrauen aufzubauen.

Um eine langfristige Partnerschaft mit dem Immobilienfinanzierer zu gewährleisten, kann das hybride Beratungsmodell auf bestehende Finanzierungen ausgeweitet werden. So bieten sich digitale Erinnerungsfunktionen an, die je nach aktueller Situation auf sinnvolle Features in Kombination mit den laufenden Verträgen hinweisen. Dies können beispielsweise neue Anforderungen an die energetische Gebäudesanierung oder veränderte Finanzierungsmöglichkeiten aufgrund von Zinsänderungen, Auslauf von Zinsfestschreibungen oder angepassten Fördermöglichkeiten sein. Über eine Kontoanalyse kann die jeweilige Vertragsgestaltung im Kundensinne auch fortlaufend optimiert werden, wenn beispielsweise Veränderungen beim Kindergeld oder dem Gehalt vorgenommen wurden.

Mit zusätzlichen Serviceangeboten wie rechtssicherem Dokumentenmanagement oder Beratung zu Dienstleistungen wie Versicherungen oder Maklertätigkeiten rund um die Immobilie können sich Banken als Komplettanbieter positionieren und einen Mehrwert bieten.”

So können die im Laufe der Zeit gesammelten Daten als Basis für spätere Anwendungen dienen, um beispielsweise bei einer Modernisierung wichtige Informationen nicht mühsam neu beschaffen zu müssen. Kunden könnten diese Daten in ihrer digitalen Akte bei Bedarf auch selbst aktualisieren oder mit Energieberatern oder potenziellen Käufern teilen. So ist eine Begleitung über den gesamten Lebenszyklus gewährleistet. Das optimiert den Beratungsprozess, stärkt die Kunde-Bank-Beziehung und beugt letztendlich Abwanderungen vor.

Fazit: Langfristiges Engagement führt zum Erfolg

Die intelligente Verknüpfung von digitaler und persönlicher Beratung mit dem Fokus auf die Bedürfnisse der Kunden hilft Banken, die Abwanderung zu konkurrierenden Vermittlern oder FinTechs zu erschweren. Dazu müssen die Institute die Vorteile aus der Kombination von digitaler und persönlicher Beratung entlang des gesamten Beratungsprozesses herausstellen. Ohne Digitalisierung und eine sich laufend optimierende, vertrauensschaffende persönliche Beratung wird dies nicht gelingen, denn nur so können Kostenvorteile weitergegeben und die qualifizierte Beratung trotz Fachkräftemangel aufrechterhalten werden.Stefan Graß, Cofinpro

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