STRATEGIE13. Mai 2019

Kredit: Banken ver­nach­läs­si­gen Kleinunternehmen – FinTechs übernehmen wachsenden Milliardenmarkt

Bei Kleinunternehmen steckt viel Potential - sagt Robert Wagner, Consultant Cofinpro
Robert Wagner, Consultant CofinproCofinpro

Kreditvergabe für Privatkunden konnten Banken erfolgreich standardisieren und vereinfachen. Gewerbetreibende (Kleinunternehmen) und Freiberufler hingegen kämpfen weiterhin mit komplizierten Formularen und intransparenten Prozessen. Hochwertige digitale Lösungen finden sie bislang nur bei den FinTechs. Dabei steigt der Zahl der Selbstständigen in freien Berufen beständig und liegt schon bei über 1,4 Millionen. Die Folge: Die großen Finanzhäuser drohen in diesem Zukunftsmarkt den Anschluss zu verlieren und Newcomern das Feld zu überlassen.

von Robert Wagner und Sven Dost, Cofinpro

Paypal: Der Zahlungsdienstleister stützt sich bei der Kreditvergabe lediglich auf die im eigenen Hause vorhandenen Umsatz- und Händlerdaten, arbeitet also ohne die Einbindung einer externen Auskunftei wie die Schufa. Der Antrag dauert weniger als fünf Minuten und läuft vollständig automatisiert ab. Unmittelbar nach Genehmigung wird der Kreditbetrag dem Paypal-Konto des Händlers gutgeschrieben.

Bei Kleinunternehmen steckt viel Potential - sagt Sven Dost, Senior Consultant Cofinpro
Sven Dost, Senior Consultant CofinproCofinpro

In der Di­gi­ta­li­sie­rung des Ge­wer­be­kre­dits steckt noch viel Po­ten­zi­al für die Ban­ken. Fin­Techs so­wie ame­ri­ka­ni­sche IT-Un­ter­neh­men und Zah­lungs­dienst­leis­ter nut­zen die Schwä­che der tra­di­tio­nel­len In­sti­tu­te be­reits aus und “punk­ten mit Schnel­lig­keit, ein­fa­chen An­trags­stre­cken und neu­en For­men der Bonitätsprüfung.”

Sven Dost, Senior Consultant Cofinpro

Die Banken-Konkurrenten können auf einen großen Markt zugreifen: Freiberufler und kleinere Unternehmen mit bis zu fünf Mitarbeitern beantragen jährlich Kredite in Höhe von über 16 Milliarden Euro. Gewerbetreibende und Freiberufler tragen mit 32 Prozent bereits jetzt den größten Anteil des Volumens langfristiger Investitionskredite im KMU-Segment. Und in Zukunft könnten es noch mehr werden, da der Arbeitsmarkt im Wandel ist. So stieg die Zahl der Selbstständigen in freien Berufen in Deutschland von 2008 bis 2018 von rund 1 Million auf 1,407 Millionen.

Im Gegensatz zu Privatkunden müssen sich Selbstständige bei ihrer Bank auf einen langen Prozess einstellen, wenn sie einen Kredit beantragen: Neben wirtschaftlichen Zahlen des Unternehmens, Einkommensteuerbescheid und Selbstauskunft ist meist auch ein persönliches Berater-Gespräch „Pflicht“. Dass Gewerbetreibende und Freiberufler aufgrund dieser hoher Anforderungspflichten gegenüber Angestellten schlechter gestellt werden, ist nach Ansicht von Robert Wagner, Consultant bei Cofinpro nicht gerechtfertigt. Meist genüge ein Blick auf Kontoumsätze, persönliche Daten sowie ein, „Verhaltens-Scoring“ zum Kunden selbst und seiner Vergleichsgruppe, um eine schnelle Bonitätsentscheidung treffen zu können.

Autoren Robert Wagner und Sven Dost, Cofinpro
Robert Wagner ist Consultant bei Cofinpro. Seit mehr als 6 Jahren ist er im Bankenumfeld tätig. Er berät Finanzdienstleister mit dem Schwerpunkt Kredit. In seinen aktuellen Projekten begleitet er Banken bei der Digitalisierung ihrer Vertriebs- und Antragsprozesse.

Sven Dost ist Senior Consultant bei Cofinpro. Er kann auf mehr als 14 Jahre Berufserfahrung in der Bankenbranche mit besonderem Fokus auf dem Kreditgeschäft zurückgreifen. Derzeitig berät er eine Bank bei der Entwicklung und Einführung eines innovativen und digitalen Ratenkredits.

Nehmen wir zum Bei­spiel ei­nen frei­be­ruf­li­chen IT-Be­ra­ter. Über Ver­gleichs­da­ten mit der Peer­group – die der Bank aus ei­ge­nen Da­ten be­kannt sind – las­sen sich lau­fen­de Aus­ga­ben leicht er­mit­teln. Die wich­tigs­ten In­for­ma­tio­nen für ei­ne Ent­schei­dung lie­gen dank der Di­gi­ta­li­sie­rung auf Knopfdruck vor.”

Sven Dost, Cofinpro
Von ei­ner Ver­ein­fa­chung und Stan­dar­di­sie­rung des An­trags­pro­zes­ses könn­ten Kun­den wie Ban­ken glei­cher­ma­ßen pro­fi­tie­ren: Je­der Ge­wer­be­kun­de soll­te den Pro­zess in we­ni­gen Mi­nu­ten feh­ler­frei durchkli­cken kön­nen und so­fort ei­ne Zu- bzw. Ab­sa­ge be­kom­men. Wich­tig da­bei: Ban­ken soll­ten kom­pli­zier­te For­mu­lie­run­gen und ei­ne In­for­ma­ti­ons­flut ver­mei­den, da Klein­un­ter­neh­men nicht im­mer über das not­wen­di­ge Fi­nanz- be­zie­hungs­wei­se Buch­hal­tungs­wis­sen ver­fü­gen. An­trä­ge müss­ten so ge­stal­tet sein, dass je­der Kun­de in der La­ge da­zu ist, den Kre­dit selb­stän­dig ab­zu­schlie­ßen. Da­durch steigt die At­trak­ti­vi­tät für den Kun­den und kost­spie­li­ge ma­nu­el­le Pro­zes­se wer­den für die Bank überflüssig.

Der di­gi­ta­li­sier­te An­trags­pro­zess er­höht nicht nur die Ef­fi­zi­enz und ver­rin­gert die Feh­ler­quo­te in der Kre­dit­an­trags­be­ar­bei­tung. Dank ob­jek­ti­ver und trans­pa­ren­ter Ver­ga­be­richt­li­ni­en kön­ne die Bank zu­dem ihr Ri­si­ko bes­ser steu­ern und kon­trol­lie­ren. Der An­bie­ter kann sein Pro­dukt­port­fo­lio op­ti­mal an ein­zel­ne Kun­den­grup­pen an­pas­sen und dar­über auch neue Fea­tures an­bie­ten, zum Bei­spiel in­no­va­ti­ve Rück­zah­lungs­mo­da­li­tä­ten oder ei­ne An­bin­dung an Ver­gleichs- bzw. Ver­mitt­ler­platt­for­men im Internet.

Durch die Digitalisierung des benachteiligten Kleinunternehmer-Segments und neue Formen der Bonitätsprüfung können Banken bisher ungenutzte Ertragspotenziale und abgegebene Marktanteile (zurück)gewinnen.”Robert Wagner, Sven Dost, Cofinpro/ aj

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