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PRODUKTE13. Februar 2020

Don’t blame Brexit: N26 gibt Geschäft in Großbritannien auf – was wirklich dahinter steckt

brexit concept – UK economy after Brexit deal – double exposure of flag and Canary Wharf business center skyscrapers

Noch kürzlich machten Erfolgszahlen der Digitalbank N26 die Runde. 5 Millionen Kunden habe man bereits, mittelfristig seien 50 Millionen möglich und Ziel. Doch jetzt hat die Neobank überraschend ihren Rückzug aus Großbritannien angekündigt – begründet wird das mit dem Brexit. Doch reicht das als Erklärung aus und welche Argumente könnten Valentin Stalf und sein Team sonst dazu bewogen haben, der Insel den Rücken zu kehren? IT-Finanzmagazin hat mögliche Gründe analysiert.

Etwas überraschend kommt es schon, dass das Berliner Startup, das eines der wenigen deutschen Einhörner der FinTech-Szene ist, jetzt angekündigt hat, seinen britischen Kunden zum 15. April nach gerade einmal 18 Monaten Geschäftstätigkeit in Großbritannien die Konten zu kündigen. Man könne, so heißt es, aufgrund der festgelegten Rahmenbedingungen nicht länger mit der europäischen Vollbanklizenz in Großbritannien tätig sein.

Thomas Grosse

Wir respektieren die politische Entscheidung vollkommen. Sie hat jedoch zur Folge, dass N26 die Kunden in Großbritannien in Zukunft nicht mehr bedienen kann und daher den Markt verlassen wird.“

Thomas Grosse, Chief Banking Officer bei N26

An der Idee, mit Hilfe von Technologie und Innovation zu einer der prägenden Banken eines neuen Typs zu werden, ändere das freilich nichts. Man wolle sich auf das Wachstum in den 24 europäischen Staaten konzentrieren, in denen man schon 2019 erfolgreich gewachsen sei. Auch die Eroberung des US-Marktes, wo man erst kürzlich startete, sowie weitere Märkte, zu denen Grosse keine näheren Angaben machte, stehen auf der Agenda.

N26: Start in schwierigem Marktumfeld

Doch was steckt wirklich hinter dem Rückzug von N26 und erfolgt der Rückzug tatsächlich so alternativlos und gezwungen? Klar ist, dass der britische Markt durch Revolut und einige andere Player bereits gut besetzt ist und es für N26 schwierig gewesen sein dürfte, dagegen anzukommen. Andererseits war schon beim Start 2018 der Brexit in greifbarer Nähe, ja vielmehr ging man damals von einem Brexit wenige Monate später im März 2019 aus. Man wusste vielmehr bereits seit 2016, dass der Brexit auf die Banken zukommen würde – weit vor dem eigentlichen Marktstart.

So ganz einfach war dieser Start auf der Insel freilich nicht, verzögerte sich mehrfach, weil die Briten nicht zum SEPA-Raum gehören und daher, so beschreibt es etwa Finanz-Szene.de, größerer logistischer Aufwand vonnöten war. Andererseits wäre diese Hürde nun bereits genommen gewesen. Gibt man so etwas alleine aufgrund der Banklizenz durch die FCA auf?

Tamás Künsztler / N26

In der Tat hätte sich N26 um die britische Lizenz bemühen müssen – ein Aufwand, der in seiner regulatorischen Komplexität nicht zu unterschätzen ist. Doch viel wichtiger ist wohl ein anderes Argument: Das Wachstumspotenzial ist wohl in Relation zum Aufwand niedriger als anderswo, was auch mit der britischen Konkurrenz (namentlich die Starling Bank, Revolut und Monzo) zu tun haben dürfte. Die Ähnlichkeit der Features und die Tatsache, dass man hier nicht als First Mover einen Markt besetzt, dürfte nicht förderlich für die Geschäftsentwicklung gewesen sein. Laut Stimmen aus dem Unternehmen habe man seine Ziele nicht so mühelos erreichen können, wie man das erhofft hatte. Und da sind die „low hanging fruits“ in anderen Märkten Valentin Stalf und seinem Team wohl lieber als der steinige britische Markt.

Die britische FCA gilt als strenge Regulierung

Dass es nicht nur um die Banklizenz allein geht, zeigt auch die Tatsache, dass N26 diesen Weg für den Schweizer und US-amerikanischen Markt bereitwillig beschritten hat. Dahinter steht offenbar auch der Umgang mit der FCA, die (im Vergleich zu den Regulierungsbehörden anderer Länder) als streng gilt. Und bekanntermaßen war ja selbst die BaFin auf N26 nicht allzu gut zu sprechen, verlangte eine Zahl an Nachbesserungen und Korrekturen, um den erfolgreichen Betrieb dauerhaft sicherstellen zu können.

Eine separate Lizenz für Großbritannien wäre mit einem erheblichen betrieblichen Aufwand und regulatorischer Komplexität verbunden. Das Wachstumspotenzial ist dabei bei vergleichbarem Aufwand in anderen, größeren Märkten wie zum Beispiel der EU und den USA, höher.“

Aus einer Erklärung von N26

Doch hätte man deswegen bereits jetzt den Stecker ziehen müssen? Die Übergangsfrist, die auch den Bankensektor betrifft, geht schließlich noch bis Ende 2020. Warum N26 bereits jetzt auf die Bremse tritt zieht, ist unklar. Auszugehen ist davon, dass das Geschäft zumindest nicht so gut lief, dass man dem britischen Standort eine Chance über 2020 hinaus geben wollte. Das Sprichwort mit dem Ende mit Schrecken und dem Schrecken ohne Ende drängt sich hier auf.

Für die britischen Kunden, die N26 übrigens mit „mehrere Hunderttausend“ beziffert (die BBC wiederum sprach kürzlich von 200.000 Kunden, angesichts der von N26 genannten rund tausend Neukunden pro Tag müssten es jedoch eher 300.000 sein), ist nun jedenfalls zum 15. April Schluss – sie werden nach den Worten der Bank gebeten, „Guthaben bis dahin auf ein anderes Konto zu überweisen“. Da es bei N26-Konten nicht zwingend ein hinterlegtes Referenzkonto gibt, ist die Frage, wie gut das Unternehmen ansonsten die Workflows für die Zeit nach Mitte April ausgestaltet hat.

Verbunden ist die Schließung der britischen Filiale auch mit Veränderungen für die Mitarbeiter. Sie sollen, so heißt es, Angebote für andere N26-Standorte bekommen. Dass ein britischer Mitarbeiter allerdings nach Berlin, Barcelona, Wien, New York oder São Paolo wechseln will, ist unwahrscheinlich.

N26-Ausstieg in Großbritannien war nicht alternativlos

Ganz so alternativlos war also der Rückzug der N26 aus Großbritannien nicht – von einem Zwang, wie es das Unternehmen darstellt, kann keine Rede sein. „Don’t blame the Brexit“, mag man den Bankern aus Berlin entgegenrufen. Aber es gibt auf dieser großen weiten Welt sicherlich Märkte, die für Stalf, Grosse und ihr Team leichter zu erobern sind und in denen ihnen noch nicht so viel Gegenwind entgegenbläst. Und deutlich wird auch, dass das „Veni, vidi, vici“ der Berliner eben nicht überall gilt. Wachstum um jeden Preis ist andererseits aber auch nicht sinnvoll, weswegen man N26 wohl durchaus auch zu dem Schritt beglückwünschen muss. tw

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