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ARCHIV5. Oktober 2021

EPI – European Payment Initative: Banken auf der Suche nach dem europäischen Bezahlstandard

Dilok / Bigstock

Die deutschen und europäischen Banken und Sparkassen machen sich derzeit für die Schaffung eines neuen europäischen Zahlungssystems stark. Das könnte zum Gegengewicht einerseits gegen US-Digitalkonzerne wie Paypal oder Amazon werden, andererseits  die vorhandenen Be­gehr­lich­keiten der beiden großen Kredit­karten­unter­nehmen Visa und Mastercard im Zaum halten. Doch an denen werden die Initiatoren der European Payment Initative (EPI) mittelfristig nicht vorbeikommen. Bestandsaufnahme und ein Ausblick.

Ein neues europäisches Zahlungssystem spukt schon länger in den Köpfen zahlreicher Banking-Führungskräfte herum. Doch das, was DSGV-Präsident Helmut Schleweis da Anfang dieser Woche unter dem Stichwort europäisches Zahlungssystem skizzierte, könnte die Rolle europäischer Banken verändern.

Ich glaube, dass EPI kommen muss.“

Helmut Schleweis, Präsident des DSGV

EPI, das geplante europaweite Zahlungssystem, soll Gegengewicht zu den US-Playern werden. Landestypische Systeme wie Girocard und Co. in Deutschland, aber auch Ideal in den Niederlanden oder Pay-by-links in Polen könnten dann ebenso in dem neu zu schaffenden europaweiten System aufgehen wie die in vielen europäischen Ländern spezifischen Visa- und Mastercard-bezogenen Debit-Lösungen.

European Payment Initative: Echtes Omnichannel-Payment geplant

Die Ausprägungen, in denen sich EPI festmachen könnte, sind so vielfältig wie die Bankenwelt selbst: von Wallets ist die Rede und von physischen wie digital einlesbaren Debit- und Kreditkarten, für die dann eine Apple- und Google-Pay-Unterstützung möglich und sinnvoll wäre. Denkbar sind auch P2P-Bezahlung zwischen Smartphones sowie M2M-Payment-Lösungen, wie sie beispielsweise in Zukunft beim Betanken von Elektroautos relevant werden könnten. So gesehen war die umstrittene Lösung mit den Kartenslots an Tanksäulen, die die Bundesregierung noch schnell vor der Bundestagswahl durchgedrückt hat, wohl nur semi-durchdacht. Also irgendwo zwischen Multichannel und Omnichannel, um das Commerce-Buzzword-Bingo zu bemühen…

maxxyustas / Bigstock

Doch zurück ins Epi-Zentrum: Die European Payments Initiative (EPI) ist ein Zusammenschluss von derzeit 31 Banken europaweit, wobei aus Deutschland die Sparkassen sowie Deutsche Bank und Commerzbank sowie die genossenschaftliche DZ-Bank mit von der Partie sind. Damit sind alle drei Säulen der deutschen Bankenwelt zumindest dabei, auch wenn – ähnlich wie bei deutschlandweiten Projekten, Stichwort Paydirekt – nicht klar ist, wie stark die jeweiligen Akteure sich verpflichten und ob zu gegebener Zeit alle mitspielen. Mit dabei sind auch zwei europäische Player aus der Zahlungswelt: Worldline sowie Nets aus Dänemark (interessanterweise aber nicht Klarna, für die der Euro-Raum durchaus eine Rolle spielt)

Sparkassen investieren 150 Millionen Euro

Die Idee der 16 Banken, die sich vor gut einem Jahr zur EPI zusammenschlossen, ist so einfach wie die Aufgabe komplex scheint: Es geht darum, europaweit ein eigenes Bezahlsystem zu etablieren, das Paypal, Visa und Mastercard Paroli bieten kann. Geplant ist die Vorbereitung über eine Interimsgesellschaft, die ihren Sitz in Brüssel hat (Führung Martina Weimert, Aufsichtsratschef DSGV-Vorstand Joachim Schmalzl), aus der sich dann die eigentliche „EPI-Zielgesellschaft“ entwickeln soll.

150 Millionen Euro wollen die Sparkassen in das Projekt investieren, wobei das einmal ein Zehntel dessen ist, was hierfür in den nächsten fünf Jahren aufgewendet werden dürfte. Hinzu kommen, so heißt es laut Handelsblatt in einer Sitzungsvorlage eines DSGV-Fachausschusses, IT-Investitionen nochmal rund 70 Millionen Euro, sodass man in den nächsten fünf Jahren von einem Investitionsbedarf von 210 bis 219 Millionen Euro ausgeht. Selbst für eine Bankengruppe, die in den nächsten Jahren eine Milliarde Euro in IT-Modernisierung zu investieren plant, ein Haufen Holz und sicher nichts, was man angesichts schwieriger Geschäftslage aus der Portokasse zahlt. Doch die Hoffnung stützt sich noch auf die Europäische Union, die – Sie ahnen es – an einer spezifisch europäischen Lösung interessiert sein könnte und sich das, wie so oft, einiges kosten lassen könnte.

Banken sorgen sich um Konkurrenzfähigkeit lokaler Lösungen – mit Recht

Ausgang des Projekts – unklar. Denn selbst wenn es gelingen würde, die Banken sämtlicher europäischen Staaten unter einem Dach zu versammeln, ist damit die Konkurrenz nicht auf einen Schlag verschwunden. Und die besteht insbesondere im für die Zukunft so wichtigen Onlinehandel nicht nur aus den bereits genannten Playern, sondern da werden Google, Apple und Amazon, ferner Klarna, Adyen und einige weitere Unternehmen der Zahlungsbranche noch mitsprechen – und nicht zuletzt ist unklar, ob weitere Player aus dem chinesischen Umfeld bis dahin in Europa abseits der Expat-Umsätze eine Rolle spielen.

Der Handel muss erst überzeugt werden – und die Kunden

peshkov / Bigstock

Der Handel und nicht zuletzt der Kunde muss all das wollen und gute Gründe dafür haben. Und da kommt ein weiterer Knackpunkt: Denn ein mit dem Thema befasster Experte berichtet, dass für Händler eine Interchange Fee in Höhe von 0,2 Prozent des Transaktionswerts sowie eine Scheme Fee anfallen könnte – also deutlich mehr als die aktuellen Gebühren für die Akzeptanz der Girocard. Anders könnte das in anderen Ländern aussehen, in denen Visa und Mastercard die  wichtigsten Player sind. Doch so oder so: Europaweit kommen die EPI-Initiatoren an Visa und Mastercard nicht vorbei, da diese nach Informationen der Bundesbank über zwei Drittel aller Kartentransaktionen abwickeln.

Es geht um viel Geld: Aktuelle Zahlen von Capgemini prognostizieren für 2023 einen Umsatz von bargeldlosen Zahlungen in Höhe von 307,5 Milliarden Euro in Europa – im Vergleich zu 198,3 Milliarden Euro in Nordamerika durchaus ein Kuchenstück, um das es sich zu kämpfen lohnen wird. Doch die Banken sollten langsam anfangen zu kämpfen – wenn man, wie geplant, bereits in zwei, maximal drei Jahren eine mehr oder weniger finale Lösung vorlegen will, die zumindest für einen Probebetrieb und eine entsprechende Zielgesellschaft erforderlich ist. Wie schwierig das bereits auf nationaler Ebene ist, zeigt das schwierige Verhandeln im #DK-Projekt. Ob das indes sogar europaweit gelingt? tw

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