Anzeige
STRATEGIE17. Mai 2016

Kreditwirtschaft kann 1 Milliarde Euro pro Jahr durch digitale Antrags- und Entscheidungsprozesse sparen

Alexandre JanickiLexmark
Alexandre JanickiLexmark

Digitalisierung soll regulatorische Transparenz schaffen, Real Time Banking ermöglichen, Kosten signifikant senken und gleichzeitig Kunden überzeugen – bei aktuell rund 25 Millionen Kreditanträgen pro Jahr wird für die deutschen Banken ein Einsparpotential im Milliardenbereich geschätzt. Dabei darf aber die Sicherheit keinesfalls ins Hintertreffen geraten, sodass entsprechende innovative Technologien für Bankprozesse die digitale End-to-End-Bearbeitung ermöglichen und gleichzeitig Kreditrisiken minimieren sollen.

von Alexandre Janicki, Senior Industry Consultant Financial Services bei Lexmark

Unabhängig vom Geschäftsmodell oder der Klientel des jeweiligen Instituts haben deutsche Finanzdienstleister das Ziel, bis 2020 lückenlos durchgängige digitale Prozesse zu implementieren. Technologische Entwicklungen, nicht zuletzt gefordert und vorangetrieben durch zahlreiche FinTechs, werden die ganzheitliche, digitale „Customer Journey“, also sämtliche Berührungspunkte des Kunden mit Finanzprodukten und -dienstleistungen, mit Echtzeitbearbeitung ermöglichen. Dabei wird das Smartphone mit ausgeklügelten Banking-Apps die Filiale vor Ort ergänzen und in vielen Bereichen sukzessive vollständig ersetzen. Was aktuell bei den sogenannten Digital Natives bereits punktet, wird mit neuen finanznahen Dienstleistungen (z.B. Augmented Financial Services) zunehmend alltägliches Umfeld für alle Anwender und Dienstleister. Die vollständig papierlose Bank wird somit schon bald Realität werden.

Fluch und Segen der Regulierung

Die Regulierer unterstützen diese Entwicklung zumindest teilweise. 2015 wurde die Videolegitimation ermöglicht und 2016 wird mit der eIDAS-Verordnung der EU die qualifizierte elektronische Signatur der physischen Unterschrift gleichgestellt. Hier liegen in der Tat gerade für die digitale Abwicklung neue Chancen und Möglichkeiten. Durch die Anerkennung dieser Verfahren erfolgen Finanzierungen von der Beratung, Kontoeröffnung bis zu Darlehensvertrag und Auszahlung tatsächlich telematisch und voll digital – also absolut papierlos.

Auf der anderen Seite zwingen regulatorische Anforderungen bei Dokumentation und Meldewesen Finanzdienstleister dazu, sogenannte unstrukturierte Daten durch neue technologische Ansätze verfügbar zu machen, sei es für das Reporting (z.B. BCBS 239) oder die Bilanzierung (z.B. IFRS 9). Hierzu existieren bereits vielversprechende Ansätze, die sowohl die Einhaltung der Vorgaben erleichtern, als auch ein Plus an Effizienz für Prozesse im Front- und Back-End ermöglichen.

Radikale Kostensenkung

Besonders in Zeiten von niedrigen bzw. negativen Zinsen sind kostensparende digitale Prozessketten erforderlich. Für die Modernisierung in diese Richtung zeigen sich umfangreiche Potenziale bei den Banken, um interne Prozesse zu rationalisieren und die Erfahrung der Kunden zu optimieren.

Aktuell dauert die Bearbeitung beispielsweise von Ratenkrediten laut einer 2015 durchgeführten Erhebung von PwC in 55 Prozent der Fälle zwischen 30 Minuten und einer Stunde.”

26 Prozent der Vorgänge benötigen zwischen einer und fünf Stunden Bearbeitungszeit. Für 47 Prozent der Immobilienfinanzierung dauert die Bearbeitung sogar fünf bis 20 Stunden.

Roland Berger
Roland Berger

Unternehmens- und Politikberater Roland Berger schätzt dagegen die technisch mögliche Bearbeitungsdauer für voll automatisierte und digitalisierte Kreditentscheidungen auf  …

… gerade einmal 35 Sekunden”

(Quelle: Roland Berger: „Think Act, Beyond Mainstream“, 2016).

Weil die Investitionskosten in die neuen, darunter liegenden Technologien oft überschaubar sind, forcieren einige Banken diese Umsetzung konsequent und nutzen beispielsweise oft ihre Direktbank bzw. ihren vorhandenen Online Banking Kanal als Nukleus für die digitale Bank der Zukunft. Implementieren mehr Finanzinstitute solche Methoden, kann die Bearbeitungszeit erheblich optimiert werden.

Digitalisiert ist nicht immer digital

Es ist nicht so, dass die Kreditbearbeitung noch in keiner Weise digital wäre. Jedoch besteht im jeweiligen Digitalisierungsgrad oft viel Raum nach oben: Von den 25 Millionen in Deutschland bearbeiteten Kreditanträgen pro Jahr erfolgen nur etwa 25 Prozent der Prozessschritte digital. Nach wie vor werden in großem Umfang und über alle Kanäle Papierunterlagen eingereicht und in den Kreditabteilungen manuell oder (teil-)automatisiert bearbeitet. Dokumente werden gescannt, manuell identifiziert und klassifiziert und die Daten so kostspielig und fehleranfällig manuell erfasst.

Das Gegenmodell setzt auf intelligente Softwarelösungen, um Ressourcenaufwand und Risiko zu minimieren. So können zum Beispiel mit neuronalen, also selbstlernenden, Netzen Dokumente automatisch identifiziert, klassifiziert und validiert werden. Eine bereits in der Praxis bewährte gemeinsame Lösung von Lexmark und der Scoreplus GmbH ermöglicht beispielsweise bonitätsrelevante Dokumente wie Gehaltsnachweise und Kontoauszüge sekundenschnell zu digitalisieren, zu analysieren, mit spezifischen Scorecards zu bewerten und dem Kreditentscheidungssystemen der Bank zu übergeben. Eingangskanal und Dokumentenformat spielen hierbei keine Rolle mehr. Am Multifunktionsgerät in der Filiale gescannte oder vom Kunden selbst mit dem Smartphone fotografierte Dokumente werden sofort bearbeitet. In wenigen Sekunden liegt eine qualifizierte Rückmeldung vor. Das gleiche Prinzip gilt auch im Backoffice: Sind bestimmte Vertragsklauseln nicht im Banksystem erfasst, werden diese wertvollen Informationen per Algorithmus gegen tausende Kriterien abgeglichen und stehen dem Controlling bzw. Risikomanagement in Echtzeit zur Verfügung. Somit werden neue regulatorische Anforderungen, wie IFRS9, erfüllt.

Spannungsfeld: sicheres Online-Geschäft vs. sofortige Kreditauszahlung

Kunden erwarten schnelle Entscheidungen und die möglichst sofortige Kreditauszahlung. Zur eindeutigen Risikobewertung und Vermeidung von Identitäts- und Bonitätsbetrug sind Banken jedoch auf die Prüfung von Originaldokumenten auf Echtheit und Plausibilität angewiesen. Denn auch professionelle Betrüger nutzen verstärkt das Online-Geschäft für ihre Zwecke. Auf digitale Kreditrisikoprüfungen spezialisierte Anbieter haben sich dieses Problems angenommen und warten mit praktikablen Lösungen auf. Laut Thomas Platt, Gründer und Geschäftsführer des FinTech-Unternehmens SCOREPLUS GmbH, präsentiert sich das Dilemma folgendermaßen:

Schäden für die Kreditwirtschaft werden auf mehrere Hundert Millionen Euro pro Jahr geschätzt, Tendenz stark steigend. Dabei spielen gefälschte Ausweis- und bonitätsrelevante Dokumente wie Kontoauszüge und Gehaltsnachweise die zentrale Rolle bei Betrugsfällen. Die „klassische“ manuelle, visuelle Dokumenten-Prüfung ist für Online-Prozesse jedoch nicht geeignet. Unsere automatisierten Prüfungen auf Basis von Intelligenten Scan- und Bilderkennungstechnologien sowie Data-Scoring gepaart mit spezialisierten Regelsets beziehungsweise ScoreCards zur Bonitätsbewertung und Betrugsanalyse verringern nachhaltig Kreditrisiken und schaffen die Voraussetzungen für vollständig digitale Realtime-Entscheidungsprozesse.“

Durch technologische Innovationen können Banken also die beiden Pole „Sicherheit“ und „Schnelligkeit“ verbinden und gleichzeitig Komfort und Sicherheit im Antragsprozess deutlich erhöhen.

Banking 4.0 ist bereits in wichtigen Teilen Realität

digitalista/bigstock.com
digitalista/bigstock.com

Die vierte industrielle Revolution ist digital und die Grenzen zwischen Bank-, Industrie- und Dienstleistungsprozessen verschwinden. Es geht um die „Organisation von Prozessen, die cyberphysische Systeme, das Internet der Dinge und das Internet der Dienstleistungen kombinieren“ (Wikipedia). Mit dem Ansatz „Banking as a Platform“ (BaaP) werden die verschiedenen Kernbankfunktionen wie Zahlungsverkehr oder Antragsprüfung als Teil einer digitalen Wertschöpfungskette nahtlos in digitale Geschäftsmodelle integrierbar. Auf dem Weg zum Banking 4.0 liegen umfassende Veränderungen der Arbeitsweisen und enorme Einsparpotentiale, wie etwa in der Antragsbearbeitung, die es anhand von moderner Technologie zu realisieren gilt.

Als Beispiel in dem Zusammenhang sei Arvato Financial Solutions genannt. Mit seinem „Digital Account Check“ bietet das Unternehmen eine innovative Lösung, die eine Online-Kontoprüfung und Kontoanalysen in Echtzeit via einwilligungsbasiertem Kontozugriff („Access to Account“) ermöglicht und so der Kreditwirtschaft hilft, das enorme Einsparpotenzial in Bezug auf Bearbeitung und Kreditrisiko zu heben. Erfolgreich im Einsatz ist der „Digital Account Check“ bereits bei der CreditPlus Bank AG (Online- und Filialgeschäft) und Barclaycard, beides langjährige Kunden von Arvato Financial Solutions. Dabei werden Kontobewegungen aggregiert, online eine Haushaltsrechnung durchgeführt und die verfügbare Liquidität berechnet, so dass eine Auszahlung des Geldes auf das Kundenkonto innerhalb von maximal einem Tag erfolgen kann.

Fazit: Digitalisierung ist kein Zukunftsthema …

… und auch keine Veranstaltung für Visionäre. Maßgebliche  Instrumente sind bereits heute vorhanden und generieren sofort nachhaltige Effekte. Die Grenzen von Prozessen und Geschäftsmodellen von Online-Banken und klassischen Finanzdienstleistungen lösen sich auf, schnell entstehen neue Mischformen. Diese Änderungen sind in Systemen und Prozessen bereits jetzt erfahrbar. Die intelligente Verknüpfung von Technologien der Digitalisierung sichert Banken mit hoch automatisierten Prozessketten die notwendige Effizienz und Flexibilität im Wettbewerb mit FinTechs und weiteren neuen Marktteilnehmern.

Wer die Umsetzung der Digitalisierungsstrategie frühzeitig beginnt, wird die für 2020 angestrebten Effekte bereits jetzt in vielen Teilen nutzen und sich wichtige Wettbewerbsvorteile sichern.aj

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert