ANWENDUNG14. Dezember 2023

50.000 Besucher bei Amazon Web Services (AWS) und zwei innovative Versicherungs­anwendungen

50.000 Besucher drängten sich auf der Anwenderkonferenz von Amazon Web Services (AWS) durch die Korridore der Tagungshotels und der Ausstellungshalle. Sie fanden in zahlreichen Präsentationen und Podiumsdiskussionen Informationen über innovative Lösungen, so auch in der Finanzbranche. Für IT Finanzmagazin war Michael Matzer in Las Vegas und hat zwei spannende Versicherungs-AWS-Anwendungen von HUK-COBURG und Meshify mitgebracht. 

von Michael Matzer

In der Ausstellung der AWS re:invent drängten sich Zehntausende von Besuchern durch die Gänge der umfangreichen Halle.
In der Ausstellung der AWS re:invent drängten sich Zehntausende von Besuchern durch die Gänge der umfangreichen Halle.Michael Matzer

App belohnt gutes Fahrverhalten: 9 Billionen Beschleunigungsdatenpunkten

HUK-COBURG (Website) wollte gutes Fahrverhalten mit einem Versicherungsbonus belohnen und begann 2018 auf Amazon Web Services (AWS), eine hochskalierbare und dynamische, hybride Lösung namens „Mein Auto“ zu entwickeln, die Fahrtinformationen aus den Telematikdaten der Kunden verarbeiten kann.

HUK-COBURG

Ein kleiner Sensor, der an die Windschutzscheibe geklebt wird, erfasst in Kombination mit unserer App Daten zum Fahrverhalten, so etwa Geschwindigkeit, Beschleunigung und Bremsverhalten. Sensor und App kommunizieren miteinander via Bluetooth, die Fahrdaten selbst werden aus der App heraus per Funkverbindung an das Backend in der AWS-Cloud übertragen. Je nach Einstellung geschieht dies per WLAN oder über mobile Daten.“

Harald Dischner, Geschäftsführer HUK-COBURG Datenservice- und Dienstleistungen

So sieht die App „MeinAuto“ aus, die die Fahrdaten mithilfe des abgebildeten Sensors erfasst. Sie gibt auch gleich den Bonus hinsichtlich der Versicherungsprämie an. <q>HUK Coburg
App „MeinAuto“: erfasst per Sensor die Fahrdaten HUK-COBURG

Seit Start 2019 wurden mehr als eine Milliarde erfasste Fahrten durchgeführt. Das entspricht über neun Billionen aufgezeichneten Beschleunigungsdatenpunkten und über 600 Milliarden Positions- und Geschwindigkeitsdatenpunkten, so der IT-Leiter. Diese Datenmengen werden in der AWS-Cloud gespeichert und analysiert, um einen Fahrwert zu ermitteln.

“Da die zu verarbeitenden Datenmengen im Tages- und Jahresverlauf enorm schwanken, wir die Bewertung von Fahrten aber sehr zeitnah ausliefern wollen, nutzen wir die elastische Verfügbarkeit von Rechenressourcen in der Cloud“, so Dischner weiter. „Diese riesigen Datenmengen ermöglichen uns eine ständige Weiterentwicklung unseres eigenentwickelten Bewertungsalgorithmus zur Beurteilung des Fahrverhaltens unserer Kundinnen und Kunden.“

Die App „MeinAuto“  kann weitere Aufgaben erfüllen, so etwa einen Notruf absetzen oder einen Unfall bzw. Schaden melden. „Entwarnung“ ist immer positiv.  ((230314_Telematik Mein Auto5.png)) © HUK Coburg
Die App „MeinAuto“ kann am Fahrgeschehen auch mögliche Unfälle erkennen und die Versicherung verständigen.HUK Coburg

Nach der Datenerfassung verarbeitet und bewertet eine HUK-COBURG Tochtergesellschaft die Daten und stellt sie den Fahrern zur Verfügung, um diese noch mehr zu einem guten Fahrverhalten zu motivieren. „Abhängig davon, wie sicher und vorausschauend die Fahrweise ist, erhalten Kundinnen und Kunden einen Bonus auf ihren Versicherungsbeitrag – ein sehr fairer Ansatz“, findet Dischner.

Wir haben inzwischen über 500.000 Kundinnen und Kunden, die den Telematik-Tarif nutzen, Tendenz steigend. Die durchschnittliche Ersparnis von Kunden mit Bonus lag für das Jahr 2023 bei 83 Euro. Seit kurzem bieten wir auch eine Version an, die man ohne Vertrag unverbindlich testen kann.“

Die App „MeinAuto“ kann am Fahrgeschehen auch mögliche Unfälle erkennen und die Versicherung verständigen.<q>HUK Coburg
Die App „MeinAuto“  kann weitere Aufgaben erfüllen, so etwa einen Notruf absetzen oder einen Unfall bzw. Schaden melden. „Entwarnung“ ist immer positiv.HUK Coburg

Neben dem Bonusmodell werde das Fahrverhalten auch unter dem Gesichtspunkt „Belastung der Umwelt“ bewertet. Mit dem Feature „Eco Drive“ sparen unsere Kundinnen und Kunden durch umweltschonendes Fahrverhalten Geldbeträge an, mit denen gemeinnützige Organisationen unterstützt werden.

Die App kann auch Schäden erkennen. Dischner berichtet weiter: „Mit der gleichen Technologie haben wir 2022 die Möglichkeit zur automatischen Unfallerkennung geschaffen. Erkennt das System einen Unfall, sendet es eine Push-Nachricht auf das Smartphone. Wir bieten somit sofort aktiv Hilfe und Unterstützung an. Auch eine sehr einfache digitale Meldung des Schadens ist möglich. Wir haben außerdem unseren Partner GDV-DL beauftragt, bei schweren Unfällen Kontakt mit den Betroffenen aufzunehmen. Wenn niemand erreicht wird, werden automatisch Rettungskräfte alarmiert.“

Eine technische Herausforderung

Im Jahr 2022 migrierte HUK-COBURG die Lösung mithilfe von Serverless-Lösungen wie Amazon API Gateway und AWS Lambda vollständig auf AWS. „HUK-COBURG benötigte eine kosteneffiziente, sichere und hochgradig skalierbare Lösung, die auf volatile Telematik-Verkehrsmuster, wie etwa Spitzenzeiten an Arbeitstagen und Tagen mit Ferienbeginn mit nahezu keinem Verkehr in der Nacht, reagieren konnte“, erläutert der IT-Leiter. „Mithilfe von AWS konnte HUK-COBURG seine Lösung je nach Bedarf problemlos nach oben oder unten skalieren, was zur Kostenoptimierung beitrug. Ebenso konnten die Entwicklerteams die Innovation und Implementierung neuer Funktionen auf der Telematikplattform beschleunigen.“ Nach Dischners Angaben erfolgte die Entwicklung vollständig im eigenen Haus.

Autor Michael Matzer, IT-Journalist
Michael Matzer

Michael Matzer, M.A. lebt in der Nähe von Stuttgart. Er schreibt seit rund 30 Jahren über IT-Themen Fachartikel, Bücher und E-Books. Zu seinen Fachgebieten gehören die Cloud, Datenanalyse, Künstliche Intelligenz und Storage.

Künstliche Intelligenz im Einsatz

HUK-COBURG setzt KI derzeit vor allem in der Datenanalyse ein. Dischner nennt ein Beispiel: „Das Erkennen von temporären Geschwindigkeitsbegrenzungen an Baustellen beziehungsweise deren Aufhebung. Das ist ein dynamisches Geschehen, bei denen regelbasierte Systeme nicht optimal greifen. Wenn das System erkennt, dass viele Fahrer das ausgewiesene Tempolimit an derselben Stelle überschreiten, wird die vermeintliche Überschreitung aus der Bewertung genommen.“

Ein zweites Beispiel: „Auch beim Erkennen von Kurven lernt das System eigenständig, denn es macht einen Unterschied, ob es sich um eine Fahrt durch Kreisel handelt oder eine rasante Kurvenfahrt auf der Landstraße. In beiden Fällen gibt es Querbeschleunigung, jedoch muss man diese mit Blick auf das Unfallrisiko jeweils anders bewerten. KI hilft uns, diese Bewertung noch genauer und somit fairer zu machen.“

„Wir haben uns für AWS entschieden, weil der Anbieter eine starke Marktposition hat und ständig neue, innovative Services herausbringt“, resümiert Dischner. „Durch die Umstellung auf die Cloud konnten wir die Kosten im Vergleich zu unserer früheren On-Premises-Lösung deutlich senken und architektonische Herausforderungen sehr schnell und ohne Ausfallzeiten lösen.“

Meshify/ Munich RE: Sensorwarnungen vor Hitze, Kälte und Feuchtigkeit

Meshify aus Austin, Texas, ist eine Tochterfirma der Munich RE Rückversicherung (Website) und hat eine Lösungsplattform entwickelt, die mithilfe von Long-Range-Sensoren (LoRaWAN) und Mobilfunk Applikationen im Versicherungssektor ermöglicht, die dem Schutz von Gebäuden und Hausrat dienen. Diese Versicherung können sich dann um Rückversicherung bei der Munich Re bemühen. Angesichts der zunehmenden Schäden durch Naturkatastrophen ist die Münchner Rückversicherung bemüht, den Schäden vorzubeugen, ihre Kunden zu warnen und so die Schadensummen zu senken.

Die Meshify-Applikation umfasst Sensoren am Netzwerkrand (Mobilfunk, LoRaWAN), führt die sensorbasierte Datenerfassung im AWS IoT Core aus und verarbeitet diese Streamingdaten auf der Datenbank AWS RDS, um sie zu analysieren. <q>Meshify
Die Meshify-Applikation umfasst Sensoren am Netzwerkrand (Mobilfunk, LoRaWAN), führt die sensorbasierte Datenerfassung im AWS IoT Core aus und verarbeitet diese Streamingdaten auf der Datenbank AWS RDS, um sie zu analysieren. Meshify

Die Meshify-App gehört zum Instrumentarium der Warnmöglichkeiten. Auch sie nutzt die Datenerfassung durch Sensoren. Es sind IoT-Sensoren mit großer Reichweite (über 300 Meter), die aber wenig Strom verbrauchen (LoRaWAN) und so über eine Batterielebensdauer von über fünf Jahren verfügen. Sie erfassen Parameter wie einen schnellen Abfall der Temperatur, die einen Kälteschaden ankündigen, oder rasch steigende Luftfeuchtigkeit, die Schimmelbildung fördert. Auch LTE-gestützter Mobilfunk in einem Sensor kann Daten übertragen. Die erfassten Daten werden an den AWS IoT Core for LoRaWAN (Website) gesandt, wo sie über Meshify-APIs in der RDS-Datenbank von AWS (Website) persistent gespeichert werden.

Die technische Architektur der Meshify-Lösung basiert auf AWS-Diensten. <q>Meshify
Die technische Architektur der Meshify-Lösung basiert auf AWS-Diensten. Meshify

Bevor in Echtzeit Erkenntnisse gewonnen und Empfehlungen zur Risikovermeidung verschickt werden können, müssen die Datenströme und Ereignisse zugewiesen und gefiltert werden. Dazu setzt Meshify den Amazon Managed Streaming für Apache Kafka (MSK) (Website) ein. Die Applikation wird von Amazon Elastic Kubernetes Service (EKS) (Website) verwaltet, so dass die Container-Microservices sehr skalierbar sind. Eine Mobil-App müssen die jeweiligen Versicherungen, die die Meshify-Plattform nutzen, selbst entwickeln: Meshify stellt ihnen die Infrastruktur zur Verfügung.

Die ständige Verfügbarkeit der RDS-Datenbank und der angeschlossenen Dienste sorgt nicht nur für die Zufriedenheit der von ihrer jeweiligen Versicherung kontaktierten Kunden, sondern lässt auch permanent Reports und Machine Learning-basierte Auswertungen zu. Beispielsweise lassen sich so Trends feststellen, so etwa steigende Luftfeuchtigkeit in Meeresnähe und häufig überflutete Regionen. Diese Risiken haben laut informierten Quellen in Florida bereits zu stark gestiegenen Versicherungsprämien für Immobilien geführt.Michael Matzer

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