STRATEGIE18. September 2023

Holt doch endlich UX-Designer ins Strategie-Meeting!

Jesse Weststrate von Fourthline meint: Holt doch endlich UX-Designer ins Strategie-Meeting!
Jesse Weststrate, Fourthline Fourthline

Wenn der Kunde nicht zur Bank will, muss die Bank zum Kunden. Neobanken haben das schon erkannt und ihr Geschäft von der Pike auf nach dem Prinzip „mobile first“ aufgezogen. Dadurch konnten sie von Anfang an ihre Ressourcen auf das konzentrieren, was sich gerade in der jüngeren Generation als Gradmesser bei der Wahl ihrer Bank(-App) etabliert hat: Die Nutzererfahrung, auch bekannt als User Experience (UX).

von Jesse Weststrate, VP of Product bei Fourthline

Der Wandel vom traditionellen Schaltergeschäft zum Online-Banking ist in vollem Gange. Die Zahl der Deutschen, die ausschließlich auf Online-Banking setzen und keine Bankfilialen mehr besuchen, ist seit mehreren Jahren kontinuierlich gestiegen. Laut einer Studie des Digitalverbands Bitkom nutzten im Jahr 2022 bereits mehr als zwei Drittel der Deutschen mobiles Online-Banking. Und nach einer Erhebung von YouGov betrat in den letzten 12 Monaten jeder dritte Deutsche eine Bankfiliale nur noch, um einen Geldautomaten zu benutzen.

User Experience beginnt bei der Kontoeröffnung

Die ISO-Norm 9241-210 definiert User Experience als „die Wahrnehmungen und Reaktionen, die das Ergebnis der Nutzung oder der erwarteten Nutzung eines Produkts, Systems oder einer Dienstleistung sind“.

Das umfasst alle Emotionen, Vorstellungen, Präferenzen, Wahrnehmungen, körperlichen und psychischen Reaktionen, die vor, während und nach der Nutzung auftreten. In Bezug auf Banking heißt das: Die User Experience beginnt bei der Kontoeröffnung.

Eine endlose Liste an erforderlichen Dokumenten, multiple Besuche in der Filiale oder unklare Anweisungen zur Video-Identifikation sind häufige Hürden, die potenzielle Neukunden verschrecken und im schlimmsten Fall zur Konkurrenz abwandern lassen.

Kunden von Neobanken schätzen vor allem den Komfort bei der Eröffnung eines neuen Kontos, das sich bequem von den eigenen vier Wänden aus erledigen lässt. In einer anderen Bitkom-Studie gaben 94 Prozent der Neobank-Kunden die unkomplizierte Kontoeröffnung als Vorteil gegenüber dem Online-Service der etablierten Banken an.

Autor Jesse Weststrate, Fourthline
Jesse Weststrate, Fourthline Fourthline

Jesse Weststrate begleitet bereits seit den ersten Schritten die Produkte von Fourthline (Website). Weststrate startete seine Karriere 2013 bei ABN Amro. 2016 wechselte er zu Safened, bis er sich 2019 direkt nach der Gründung Fourthline anschloss. Heute leitet er ein großes Team erfahrener Produktexperten, die sich um die Weiterentwicklung der gesamten Produktpalette von Fourthline kümmern. Damit ist Jesse Weststrate in allen Bereichen der KYC- und AML-Produkte bei Fourthline beteiligt, vom Produktdesign bis hin zur Kundenerfahrung.

Mensch und Maschine: KI in der UX

In der Bankenbranche existieren im Wesentlichen zwei Ansätze zur Neukundenregistrierung: das manuelle und das KI-gestützte Onboarding. Im Rahmen des manuellen Onboardings setzen traditionelle Banken häufig auf Verfahren wie die Video-Identifikation, die subjektive Risikoeinschätzungen und individuelle Empfehlungen enthalten. Ein Pluspunkt dieses Ansatzes ist die menschliche Intuition, die selten, aber manchmal, das Zünglein an der Waage sein kann.

Ein Beispiel: Wenn ein potenzieller Kunde während des Identifizierungsprozesses unruhig oder unsicher wirkt, kann ein menschlicher Sachbearbeiter aufgrund seiner persönlichen Erfahrung und Menschenkenntnis besser einschätzen, ob dies auf einen Betrugsversuch hindeutet oder ob der Kunde einfach nur nervös ist. Darüber hinaus ermöglicht der direkte menschliche Kontakt eine persönliche Bindung zur Marke, was das Kundenvertrauen stärken kann. Allerdings sind dem manuellen Onboarding auch Grenzen gesetzt. Oftmals leidet die Benutzererfahrung unter langwierigen Prozessen, und die Einschätzungen können subjektiv und ungerechtfertigt sein – die Intuition ist schließlich ein zweischneidiges Schwert.

Im Gegensatz dazu steht das KI-gestützte Onboarding. Hier werden Prozesse wie die Identifikationsprüfung, Überprüfung von Dokumenten auf Echtheit, eine Risikobewertung basierend auf einer Vielzahl von Datenpunkten sowie der Abgleich mit internationalen Sanktionslisten und PEP-Status (politically exposed people) automatisiert durchgeführt. Die gesammelten Informationen werden in einer Due-Diligence-Datei abgelegt, um ein detailliertes Profil des Kunden für zukünftige Referenzen und Empfehlungen zu erstellen.

Diese Automatisierung bedeutet einen enormen Zeitgewinn beim Onboarding – sowohl für die Banken, als auch die Nutzer. Das gilt besonders im Vergleich zu den in Deutschland gängigsten KYC-Verfahren: Video-Ident und Post-Ident.”

Freilich sollte sich dabei niemand blind auf eine Künstliche Intelligenz verlassen. Sonderfälle wie eineiige Zwillinge können die automatische Bilderkennung einer KI bei der Dokumentenprüfung ins Straucheln bringen. Daher ist es wichtig, bei Bedarf auf menschliche KYC-Experten zurückgreifen zu können. Nichtsdestotrotz gilt: Ein KI-gestütztes Onboarding bedeutet in den allermeisten Fällen eine deutlich verbesserte User Experience als manuelle Verfahren. Doch nicht nur für die Nutzer macht die Künstliche Intelligenz das Leben leichter.

Eine gute UX macht auch die Belegschaft glücklich

So bringt eine gute User Experience auch für die Banken zahlreiche Vorteile mit sich. An erster Stelle steht die Steigerung des Umsatzes: Eine hervorragende UX kann die Konversion neuer Nutzer erheblich erhöhen. Kunden, die sich bei der Nutzung eines Dienstes oder Produkts wohl und verstanden fühlen, neigen dazu, treu zu bleiben. Sie sind weniger geneigt, zur Konkurrenz zu wechseln, und sie sind eher bereit, positive Bewertungen zu hinterlassen und das Unternehmen weiterzuempfehlen.

Eine weitere wichtige Auswirkung einer guten UX betrifft die internen Prozesse.

Sie kann zu reduzierten Entwicklungszeiten und -kosten führen. Indem die Kundenbedürfnisse von Anfang an berücksichtigt und verstanden werden, können Probleme frühzeitig erkannt und behoben werden.”

Dies kann dazu führen, dass weniger Ressourcen für Fehlerbehebungen und Verbesserungen aufgewendet werden müssen.

Das betrifft nicht zuletzt auch die Mitarbeiterzufriedenheit. Ein klarer, intuitiver Prozess bedeutet weniger Frustration für die Benutzer und weniger Beschwerden für das Kundenservice-Team. Das kann zu einer erhöhten Mitarbeiterzufriedenheit führen und die Fluktuation reduzieren. Mit dem wachsenden Einsatz von KI im KYC bietet sich die Möglichkeit, die User Experience schon ab dem ersten Kontakt, dem Onboarding – zu verbessern. Banken – egal ob „Neo“ oder nicht – sind daher gut darin beraten, UX-Designer in ihre Strategiemeetings einzubeziehen. Jesse Weststrate, Fourthline

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