Initial Coin Offering (ICO) aus rechtlicher Sicht: Der Token als digitale Urkunde?

Lindenpartners
Auch nach dem Kurseinbruch bekannter Krypto-Währungen wie Bitcoin oder Ether Anfang des Jahres ist das Interesse an sog. Initial Coin Offerings (ICOs) weiterhin hoch. Nachdem Unternehmen im vergangenen Jahr bereits weltweit mehr als 4 Mrd. USD über ICOs einsammeln konnten, plant der Messaging-App Telegram für 2018 einen ICO mit einem Volumen von bis zu 1,2 Mrd. USD. Befeuert wird der ICO-Hype auch dadurch, dass – wie das Newsportal Techcrunch berichtet – in der Vergangenheit erfolgreich über ICOs finanzierte Unternehmen nun angekündigt haben, selbst ICO-Investoren zu werden. In rechtlicher Hinsicht ist noch vieles ungeklärt. Im Fokus stehen dabei vor allem Regulierungsaspekte. Relevant werden kann in diesem Zusammenhang die Frage, ob der bei einem ICO ausgegebene Token als digitale Urkunde qualifiziert werden kann.
von Rechtsanwälten Eric Romba und Dr. Robert Oppenheim

Lindenpartners
Repräsentiert der Token eine Fremdkapitalforderung des Anlegers auf Rückzahlung des investierten Betrags zzgl. Zinsen kann von einem Debt-Token gesprochen werden. Tokens werden auf einer Online- oder Offline-Wallet verwahrt und zumeist über Zweitmarktplattformen gehandelt. Weit verbreitet ist die Erstellung von Tokens auf der Basis des ERC20-Standards des Ethereum-Netzwerks.
ICO: Die Regulatorik bedenken
Je nach Ausgestaltung des ICOs sind unterschiedliche rechtliche Anforderungen zu beachten. Die teilweise vertretene These, ICOs seien in Deutschland und Europa unreguliert, trifft nicht zu. Die deutsche Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin qualifiziert Tokens als Rechnungseinheiten und damit Finanzinstrumente, für deren Vertrieb eine Erlaubnis nach § 32 Kreditwesengesetz – KWG erforderlich sein kann. Zudem gilt der Inlandsbezug des deutschen Aufsichtsrechts. Wenn ich mich aus dem Ausland z.B. mit einer deutschen Webseite konkret um Investoren in Deutschland bemühe, ist das deutsche Recht anwendbar. Im Übrigen hängt die Art der Regulierung von der Funktionsweise der Tokens ab. ICOs mit Investmentkomponenten unterliegen unterschiedlichen Produkt- und Vertriebsvorgaben. Der Anbieter wird dabei regelmäßig das Ziel verfolgen, sein Produkt möglichst geringen regulatorischen Vorgaben zu unterwerfen, um Aufwand und Kosten zu sparen.
In Betracht kommt dabei vor allem die Begebung von (offline) Schuldverschreibungen, die mittels eines Token online gebracht werden. Sie geben dem Anleger einen Anspruch auf Rückzahlung des eingesetzten Kapitals zzgl. einer entsprechenden Verzinsung. Die (Debt-)Tokens gewähren dem Anleger Zugang zu dem Anspruch aus der Schuldverschreibung.
Dr. Robert Oppenheim ist Rechtsanwalt seit 2013, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht seit 2017. Robert Oppenheim hat in Potsdam studiert. Während seiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Potsdam promovierte er zu Fragen des Personengesellschaftsrechts.
Eric Romba hat in Bonn studiert. Er hat mehrere Jahre im Deutschen Bundestag gearbeitet sowie als Rechtsanwalt in einer großen immobilienrechtlichen Kanzlei. Er war 12 Jahre Hauptgeschäftsführer des bsi Bundesverband Sachwerte und Investmentvermögen e.V. Neben seiner anwaltlichen Tätigkeit ist Eric Romba als Dozent bei der Frankfurt School of Finance sowie der IREBS Immobilienakademie tätig.
Verbriefen von Forderungen mittels Token?
Eine Verbriefung von Schuldverschreibungen mittels Urkunde ist in Deutschland für Inhaberschuldverschreibungen (§§ 793 ff. BGB) immer vorgesehen, da ohne die Urkunde auch die Forderung nicht entsteht. Für Namensschuldverschreibungen gilt dies hingegen nur dann, wenn sie unter das Schuldverschreibungsgesetz – SchVG fallen. Dies setzt voraus, dass die Namensschuldverschreibung als sog. Gesamtemission begeben wird (§ 1 Abs. 1SchVG), d.h. kapitalmarktfähig und damit girosammelverwahrfähig ist.
Eine Urkunde ist dabei nach allgemeinem Verständnis eine schriftlich verkörperte Gedankenerklärung. Das ist der Token mangels Schriftlichkeit zwar nicht, allerdings weist der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (bitkom) zutreffend darauf hin, dass Tokens fälschungssicher, übertragbar und aufgrund ihrer Funktionsweise die digitale Verkörperung der Verbriefung von Rechten darstellen. Insofern lassen sich Tokens durchaus als digitale Urkunden qualifizieren.
Obwohl das herkömmliche Verständnis des Urkundenbegriffs sich zwar überwinden lässt, ist die Verbriefung einer Schuldverschreibung mittels Token als digitale Urkunde nach geltender Rechtslage gleichwohl nicht umsetzbar. Nach § 2 Satz 1 SchVG müssen sich nämlich bei einer Schuldverschreibung die Anleihebedingungen aus der zum Umlauf bestimmten Urkunde ergeben (sog. Skripturprinzip). Eine Abbildung der Anleihebedingungen in einem Token ist technisch aber nicht möglich.
Der Gesetzgeber ist gefragt
CDU, CSU und SPD haben sich in dem neu ausgehandelten Koalitionsvertrag vorgenommen, Deutschland beim Thema FinTech eine Vorreiterrolle zukommen zu lassen sowie Blockchain-Modelle zu erproben. Eine Anpassung des seit 2009 geltenden § 2 SchVG sollte daher allemal drin sein. Mit der Anpassung der Norm könnte sich der Anwendungsbereich und Nutzen von ICOs deutlich erweitern. Deutschland bekäme eine Vorreiterrolle in Europa und wäre in diesem Punkt seinem Anspruch, immer best-of-class zu sein, einen großen Schritt näher.aj

Sie finden diesen Artikel im Internet auf der Website:
https://itfm.link/65569

Schreiben Sie einen Kommentar