SB & FILIALE4. Januar 2021

Wie viele Bankfilialen braucht Deutschland?

Filiale der Deutschen Bank
franz12/bigstock.com

Im Corona-Jahr 2020 hat der ohnehin absehbare Abbau von Bankfilialen weiter an Fahrt gewonnen. Der Trend ist auch im neuen Jahr ungebrochen. Schaut man auf die Schlagzeilen, scheint es als ob Commerzbank und Deutsche Bank den Trend setzen. Ob das wirklich so ist, und wie es in den nächsten Jahren mit den Filialen weitergeht, beleuchte ich in diesem Artikel.

von Rudolf Linsenbarth

Zugegeben: Länder benötigen keine Bankfilialen, sondern allenfalls die Menschen, die dort leben. Aber wozu? Ich beschränke meine Betrachtungen auf das Retailbanking
und sehe, dass dort die folgenden Bedürfnisse befriedigt werden:

1. Kontoeröffnung
2. Bargeld Ver- und Entsorgung
3. Informationen über den aktuellen Finanzstatus
4. Initiierung und Ausführung von Finanztransaktionen (Überweisungen)
5. Beantragung einer Kreditkarte
6. Finanzberatung und Vermögensverwaltung
7. Erhalt eines Kredits
8. Baufinanzierung

Autor Rudolf Linsenbarth
Rudolf LinsenbarthRudolf Linsenbarth be­schäf­tigt sich mit Mobile Payment, NFC, Kundenbindung und digitaler Identität. Er ist seit über 15 Jahren in den Bereichen Banken, Consulting, IT und Handel tätig. Lin­sen­barth ist profilierter Fachautor und Praktiker im Finanzbereich und kommentiert bei Twitter (@holimuk) die aktuellen Entwicklungen. Alle Beiträge schreibt Linsenbarth im eigenen Namen.
Weitere kleinteilige, in ihrer Bedeutung stark abnehmende Geschäftsvorfälle sind der Erwerb von Bargeld in Fremdwährungen oder die Scheckeinreichung. Fast alles lässt sich mittlerweile auch online erledigen, selbst bei den Banken, die über ein ausgedehntes Filialnetz verfügen.

Ich habe vor einem Jahr eine Baufinanzierung bei einer Sparkasse komplett am Telefon und per Mail abgeschlossen. Etwas anders sieht es aus, wenn man eine größere Menge Bargeld benötigt. Vor 10 Jahren habe ich für einen Gebrauchtwagenkauf 5000 € in bar benötigt. Wie ich an einen derart hohen Betrag ohne Filiale komme, fällt mir derzeit aber nicht ein. Ob dieser Anwendungsfall in meinem Leben noch einmal eintritt? Ich glaube eher nicht!

Also eine Filiale benötige ich wahrscheinlich nicht.

Trotzdem gefällt mir die Idee, dass es bei Geldgeschäften jemanden gibt, bei dem ich noch persönlich vorbeischauen kann. Echte Begegnungen mit echten Menschen.”

Das kommt vielleicht so alle 2 bis 3 Jahre vor, dann bin ich auch bereit, einen etwas längeren Anfahrtsweg in Kauf zu nehmen. Aber noch ist nicht jeder willens oder in der Lage, seine Bankgeschäfte über das Internet abzuwickeln. Wo liegt hier der optimale Abdeckungsgrad und ist der dann wirtschaftlich darstellbar?

Studie Filialen Filialsterben
Oliver Wyman

Nur noch 15.000 Filialen?

Vor gut einem Jahr gab es hier beim IT Finanzmagazin einen Beitrag der Unternehmensberatung Oliver Wyman. Dabei wurde postuliert, dass die Zahl der Bankfilialen von gut 28.000 im Jahr 2019 auf 15.000 im Jahr 2030 zurückgehen soll. Ein Wert, der mir schon in der Vor-Corona-Zeit viel zu hoch erschien, denn das wäre immer noch etwas mehr als die heutige Anzahl aller Tankstellen in Deutschland. Ich habe mich daher auf die Spurensuche begeben und ziehe dazu auch ein paar weitere Vergleiche heran.

Ungereimtheiten beginnen schon mit der Frage, wie viele Geschäftsstellen die deutschen Banken 2019 betrieben haben. Glaubt man Statista, dem Bankenverband und Wikipedia, bekommt man die von Oliver Wyman genannte Marke von 28.000 bestätigt. Die Bundesbank gibt aber für 2019 eine Zahl von 26.667 Filialen an. Diese Zahl halte ich für realistischer. Auch sie erscheint mir trotzdem noch zu hoch. Dazu später mehr.

Wie verteilten sich diese Filialen 2019 auf die einzelnen Institute? Ich habe hier einmal alle Banken mit mindestens 50 Geschäftsstellen in einer Tabelle gelistet.

Bank Filialen
Sparkassen 9.200
Volks- und Raiffeisenbanken 8.500
Commerzbank AG 1.000
Postbank AG 800
Deutsche Bank AG 500
Unicredit Bank AG 498
Sparda Banken 376
Targobank AG & Co. KGaA 337
Santander Consumer Bank AG 210
Oldenburgische Landesbank AG 167
BBBank 106
Deutsche Apotheker- und Ärztebank eG 85
PSD Banken 60

Hierzu noch einige Anmerkungen:

  1. Die Zahl der Sparkassen weist eine Spreizung von 8900 (Eigenangabe) bis 9200 (Bundesbank) auf. Nicht enthalten sind dabei die ungefähr 3700 „SB-Filialen“
  2. Ähnliches gilt auch für die Volks- und Raiffeisenbanken mit einer Schwankungsbreite von 8500 (Bundesbank) bis 9300 (Eigenangabe). Zur Anzahl der SB-Filialen habe ich keine Angaben gefunden.
  3. In den Zahlen der Postbank sind die 4300 „Partner-Filialen“ der Post nicht enthalten, in denen nur ein beschränkter Service zur Verfügung steht

Die Bundesbank selbst spricht von 7.600 Filialen bei den Privatbanken und ca. 17.700 bei den Sparkassen und Genos. Das wären insgesamt 25.300 Geschäftsstellen im Retailbanking. Zieht man davon die 21.839 aus meiner Tabelle ab, hätten wir fast 3.500 Filialen, die ich nicht erfasst habe. Wenn jemand weiß, wo diese „U-Boot Filialen“ zu finden sind, wäre ich für einen Hinweis dankbar. Für die qualitative Betrachtung der zukünftigen Entwicklung starte ich vorerst mit dem Wert 21.839.

Man sieht direkt, der größte Hebel für Veränderungen liegt dann bei den Sparkassen, sowie den Volks- und Raiffeisenbanken. Die beiden Institute lagen im Referenzjahr bei jeweils ca. 9.000 Filialen. Der Discount-Handel, der in Deutschland ebenfalls Anspruch auf Flächendeckung erhebt, kommt mit weniger als der Hälfte aus (ALDI Nord und Süd 4.146; netto 4.120; LIDL 3.200; Penny 2.169).

Man kann also davon ausgehen, dass eine Bank mit 4.000 Geschäftsstellen in Deutschland locker Flächendeckung erreicht. Beim anhaltenden Trend zum Onlinebanking wäre eine höhere Zahl nicht nur unwirtschaftlich, sondern erlaubt auch keine vernünftige Auslastung.

Mobile Filiale
Der erste mobile Sparkassenbus, der von Telespazio VEGA Deutschland über Satellit ans Internet angeschlossen wurde. Sparkasse Dillenburg

Was zudem in dieser Betrachtung fehlt, ist die Umwandlung von Geschäftsstellen in SB-Filialen und der Einsatz alternativer Präsenzkonzepte wie dem „Sparkassenbus“. Dadurch kommen wir dann eher in die Richtung der 2.000 Penny Märkte. Die beiden Marktführer im Tankstellenbereich Aral (2.300) und Shell (1.950) liegen übrigens ebenfalls in dieser Größenordnung.

Was heißt das jetzt für die Privatbanken, die dritte Säule des deutschen Bankwesens?

Beim Blick auf deren Filialzahlen wird klar, hier hat man sich bereits vor Jahren von der Vorstellung verabschiedet, seine Angebote vor Ort in der Fläche anzubieten. Die Strategie ist eine punktuelle Präsenz in dicht besiedelten Ballungsgebieten. Der Rest per Onlinebanking mit der Möglichkeit für den gelegentlichen Besuch einer Geschäftsstelle, oder von einem Bankmitarbeiter besucht zu werden. Die Bandbreite von 1.000 (Commerzbank) bis 60 (PSD Banken) ist dabei enorm. Wie allgemein bekannt, sind der Commerzbank die 1.000 Filialen mittlerweile deutlich zu viel. Mindestens 200 davon sind bereits im Zuge von Corona geschlossen worden. Inzwischen wird auch über eine Zielmarke von 200 gesprochen. Das wiederum erscheint mir dann doch zu niedrig, vor allem so lange der Wettbewerb nicht im gleichen Maße mitzieht.

Entgegen dem Trend: Targobank eröffnet Filialen

Bigstock/Linsenbarth

Vielleicht liefern die Targobank-Zahlen eine Antwort. Die Verbraucherkreditbank ist das einzige mir bekannte Institut, welches, wenn auch moderat, in den letzten Jahren neue Filialen eröffnet hat. Mit den 337 Geschäftsstellen in 253 Städten operiert die übrigens sehr profitabel arbeitende Filialbank anscheinend dicht am Optimum. Oberhalb dieser Marke wird es wahrscheinlich eng. Wobei diese „relativ“ hohe Filialzahl auch dem Geschäftsmodell, Abschluss von Verbraucherkrediten vor Ort, geschuldet ist.

Worauf sich alle Banken zudem einstellen können, ist eine stark abnehmende Vermögensberatung. Der Wechsel zu den Online-Anbietern wie „Trade Republic“ hat gerade erst begonnen. Die Digitalisierung bei den Geschäftskunden wird sehr viel schneller als im Retail-Bereich erfolgen und daher keine Kompensation liefern.

In 10 Jahren wird abseits von Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken deutschlandweit keine Bank mehr als 350 Filialen betreiben. Wahrscheinlich erreichen sie sogar nur eine Zielgröße von 100 bis 200. Die Privatbanken sehe ich insgesamt bei ca. 2000 Einheiten. Wenn ich dann noch die Sparkassen und Genos dazu nehme, komme ich auf eine Zahl von unter 7.000, und das wahrscheinlich nicht erst in 10 Jahren.

Viele davon werden den Bargeldbezug ausschließlich am Geldautomaten im Vorraum anbieten. Der AKT (Automatischer Kassentresor) gehört heute nämlich zu den teuersten Ausstattungsmerkmalen einer Bankfiliale. Möglicherweise wird auch der ATM  (Geldautomat) nicht mehr von der Bank selber betrieben, vor dessen Geschäftsstelle er steht.

Mit einem derartigen Setup kann ich mir dann allerdings vorstellen, dass einige Online- oder Neobanken mit eigenen Filialen an den Start gehen. Mal schauen, ob DKB und ING auf die Veränderungen bei der Comdirect reagieren müssen.Rudolf Linsenbarth

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