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STRATEGIE28. Januar 2021

N26: Die Digitalbank hat jetzt 7 Millionen Kunden – und macht Millionenverluste

Tamás Künsztler / N26

Mit inzwischen 7 Millionen Kunden zählt die N26 zu den größeren Banken im Endkundengeschäft. Und dank einer konsequenten Ausrichtung aufs von Filialen unabhängige, rein digitale Geschäft mit Schwerpunkt auf der App steht das Unternehmen aus Berlin auch in mancher Hinsicht besser da als viele andere Institute, die im Moment den Rotstift ansetzen. Dennoch sind die Zahlen, die Gründer und CEO Valentin Stalf jetzt in einem Interview verkündet hat, alles andere als beruhigend, zeigen sie doch, wie steinig und schwer der Weg in die Profitabilität ist.

Rund 7 Millionen Kunden hat die Neobank N26 inzwischen weltweit, 2 Millionen davon kamen im letzten Jahr dazu. Der Großteil kommt aus Deutschland und Frankreich, deutlich weniger als erwartet und erhofft offenbar aus den USA.  Das US-Geschäft lässt sich N26 immerhin 30 Millionen Euro kosten. Doch im Markt Fuß zu fassen, ist offenbar schwerer als gedacht und kalkuliert. 500.000 Kunden vermeldete das Unternehmen vor einem Jahr, aktuell nennt N26-CEO Valentin Stalf im Handelsblatt-Interview schon nicht mal mehr eine konkrete Zahl. Er erklärt vielmehr, dass sich in nächster Zeit herausstellen wird, ob man es schafft, langfristig 10 Millionen Kunden dort zu gewinnen. Einfach ist der Markt in der Tat nicht, denn anders als in der EU braucht es lizenzrechtlich in vielen Bundesstaaten hier unterschiedliche Partner. Und dann ist da noch ein deutlich mehr durch die Payment- und Kreditkartenanbieter geprägtes Terrain, das anderen Regeln folgt als in unseren Breiten.

Was die anderen Auslandsmärkte betrifft, so will N26 bis Ende des Quartals seine Pläne für Brasilien konkretisieren – ein hochinteressanter Markt, wie auch andere Banken bestätigen, weil es sich einerseits um ein aufstrebendes Land handelt, andererseits aber die Banking-Infrastruktur hier noch nicht so ausgeprägt ist wie etwa in Deutschland oder Frankreich. Eine blutige Nase geholt hat sich N26 schon in Großbritannien, wo Platzhirsche wie Revolut oder Monzo es den Berlinern schwerer machten, Fuß zu fassen.

N26: Noch macht die Neobank Verluste

Reichlich Verluste hat N26 sowohl im berichtsmäßig abgeschlossenen Jahr 2019 als auch 2020 gemacht: Auf 110 Millionen Euro habe man die Verluste im vergangenen Jahr reduzieren können – nach 270 Millionen Verlust in 2019 schon ein Fortschritt. Die Gesamtinvestitionen und damit Nettoverluste beziffert Valentin Stalf auf 217 Millionen Euro. Immerhin: Anfang 2020 lag das monatliche Transaktionsvolumen bei etwa drei Milliarden Euro, jetzt sind es bereits mehr als 5,5 Milliarden Euro.

Eine weitere Baustelle könnte sich durch die BaFin entwickeln: Denn die Aufsichtsbehörde der Banken könnte, so ist es noch nicht offiziell verkündet, es pfeifen aber die Spatzen von den Hochhaustürmen im Bankenviertel, N26 zu einer Finanzholding erklären. Die Folge wären deutlich weitreichendere Aufsichtsmöglichkeiten. Man hat zweifelsohne aus dem Fall Wirecard (auch wenn dieser nicht ansatzweise mit N26 vergleichbar ist!) gelernt und will jetzt übermäßig penibel vorgehen. Es könnte aber auch mit der Sonderprüfung im Jahr 2019 zu tun haben, die erfolgte, nachdem andere Banken (und Kunden sowieso) die Erreichbarkeit und Reaktionszeiten des Berliner Start-ups kritisiert hatten. Doch N26 gibt sich hier entspannt.

Valentin Stalf, N26-CEON26

N26 agiert heute bereits als voll lizenzierte Bank in Europa. Eine Einstufung als Finanzholding hätte keine größeren Auswirkungen. Es ändert sich weder für unsere Kunden noch für unser Geschäftsmodell etwas. Wir sind mit dem Regulator seit Längerem dazu im Austausch und sobald es offizielle Entscheidungen gibt, werden wir diese kommunizieren.“

Valentin Stalf, Gründer N26

N26 muss mehr Geld mit dem einzelnen Kunden verdienen

Doch Stalf gibt sich im Interview auch hoffnungsfroh: 2021 oder 2022 könnte N26 den Break Even erreichen und Gewinne machen – wenn alles gut läuft. Funktionieren könnte das unter anderem mit einer gezielten Bepreisung von Kontenmodellen in Form von Grundgebühren, wie es N26 bereits Ende vergangenen Jahres als grundsätzliche Marschrichtung ausgegeben hatte. Damals hatte N26 das Smart-Konto vorgestellt, ein Konto für monatlich moderate 4,99 Euro, das einige interessante Features bietet, aber ohne die sonst mit verkauften Versicherungsverträge auskommt, eingeführt. In Zukunft mehr Geld verdienen will die Digitalbank auch bei den zusätzlichen Geschäften. Man denkt dabei unter anderem an die üblichen Cashback- und Lead-Generierungsmodelle, mit denen schon etliche Banken zusätzliche Einnahmen machen.

N26

N26 plant zudem, der PSD2 sei Dank, weit mehr als nur das Girokonto und ein paar Produkte drum herum anzubieten. Das dürfte in Kooperation mit den üblichen Verdächtigen der FinTech-Welt erfolgen und über das schon vorgestellte Tagesgeldangebot weit hinausgehen: Festgeld, Kredite, vielleicht auch Brokerage und nicht zuletzt auch ein zur Zielgruppe passendes Kryptoangebot dürften hier noch zu erwarten sein. Ankündigungen solle es „schon bald“ geben, erklärt ein Unternehmenssprecher.

Dabei spielt die Coronakrise der N26 durchaus in die Hände: Deutlich mehr digitale Anteile am Geschäft, deutlich mehr kontaktlose Zahlungen und nicht zuletzt Mitbewerber, die ihre Kunden mit dem Drehen an der Preisschraube dazu bringen, über einen Bankenwechsel nachzudenken. Ziel sei es, so erklärte Georg Hauer uns bereits im Herbst, dass möglichst viele Kunden nicht nur die wenig lukrativen Zweitkonten dort hätten, sondern N26 als Hauptbank wählen.

Die Coronakrise treibt letztlich sogar unser Geschäft an. Die Vorteile eines digitalen Kontos mit digitaler Kontoeröffnung und digitaler Karte werden noch klarer. Insgesamt haben die Kunden viel weniger Bargeld abgehoben, was positiv für unsere Kosten war. Mehr Kartenzahlungen bringen uns hingegen mehr Umsatz.“

Valentin Stalf, Gründer N26

N26-Börsengang vielleicht 2022?

Als letzte wichtige Baustelle bleibt der mögliche Börsengang, über den schon länger gesprochen wird. Erst diese Woche verkündete das Unternehmen, dass der ehemalige Zalando-CFO Jan Kemper an Bord kommt und sich dadurch auf Tayenthals Rolle im Unternehmen noch einmal etwas wandeln wird. Kemper gilt als erfahrener Manager, der 2014 auch den Bekleidungshändler an die Börse führte und könnte dem Unternehmen zu weiterem Wachstum verhelfen. Doch Stalf hält sich beim Börsengang bedeckt, man ziehe das vielleicht mal irgendwann in Betracht, vielleicht 2022 – aber überstürzen will die Neobank da wohl nichts. Sollte sie auch tun – denn es bleiben zahlreiche Geschäftsfelder und Stellschrauben, um N26 profitabel zu machen, bevor man den Weg an die Börse angeht.tw

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