MATTHIAS KRÖNER, FIDOR BANK13. November 2015

“Digitalisierung lieber erst morgen..!?” — über die Lethargie der deutschen Politik

Matthias Kröner ist Mitbegründer und Vorstandsvorsitzender der Fidor Bank.Fidor Bank
Matthias Kröner ist Mitbegründer und Vorstandsvorsitzender der Fidor Bank.Fidor Bank

Die voranschreitende Digitalisierung übersteigt heute noch die Vorstellungskraft vieler Menschen. Nicht nur einzelne Produkte oder Dienste  werden sich wandeln; ganze Geschäftsmodelle, Systemlandschaften und Unternehmenskulturen sind massiven Änderungen unterworfen. Den unzähligen Chancen stehen allerdings auch einige Gefahren gegenüber wie Cybercrime, Wirtschaftsspionage oder Datenmissbrauch. Doch ist Deutschland dafür gerüstet? Betrachtet man sich die digitale Ahnungslosigkeit der Politik muss man sagen: Digitalisierung? Sehr gerne! Aber lieber erst morgen..!

von Matthias Kröner, CEO der Fidor Bank

Wenn Sie zum ersten Mal von Dr. Vivian Balakrishnan lesen, geht es Ihnen wie den meisten Menschen hierzulande – möglicherweise inklusive Alexander Dobrindt. Während letzterer in Deutschland als Bundesminister neben dem Verkehr auch für die digitale Infrastruktur zuständig ist, bekleidet Dr. Balakrishnan in Singapur neben dem Amt des Außenministers auch das des Ministers für die „Smart Nation Initiative“. Das bedeutet, dass seine Hauptaufgabe darin besteht, die besten Technologien und digitalen Ansätze ins Land zu holen, um den Digitalisierungsgrad von Wirtschaft und Gesellschaft weiter zu erhöhen. Auch Staaten wie die Vereinigten Arabischen Emirate haben die Devise „digital state“ ausgerufen.

Banale Auswirkung: Der Staat fragt seine Bürger, inwiefern man sich im Land glücklich fühle ). Man mag darüber schmunzeln, aber es zeigt die Gräben im digitalen Verständnis zwischen derartigen Beispielen und Deutschland.

Denn was macht die Bundesregierung in Person von Herrn Dobrindt? Sie klopft sich dafür auf die Schulter, dass sie den deutschlandweiten Ausbau der Netze bis 2018 auf Bandbreiten von mindestens 50 Mbit/s beschlossen hat und tut so, als wäre damit bereits alles für die Digitalisierung getan.

Für unsere Bundeskanzlerin war das Internet im Jahr 2013 noch „Neuland“, obwohl Boris Becker bereits fast fünfzehn Jahre zuvor fragte, ob er „schon drin“ ist. Daher kann es kaum verwundern, dass die Politik beim Thema Digitalisierung aktuell heillos überfordert scheint. Auf der einen Seite wird vollmundig eine Digitale Agenda ins Leben gerufen, auf der anderen Seite lässt sich der Bundestag in dilettantischer Weise hacken und mit Trojanern ausspionieren. Womit wir schon beim Thema wären.

Der Schutz  Cyberkriminalität muss ganz oben auf der Agenda stehen!

Matthias Kröner, CEO der Fidor Bank und Banken-Digitalpioneer in DeutschlandFidor Bank
Matthias Kröner, CEO der Fidor Bank und Banken-Digitalpioneer in DeutschlandFidor Bank

Täglich 400.000 neue Schadprogramm-Varianten und drei neue kritische Schwachstellen in Betriebssystemen bedeuten ein extrem hohes Risikopotential. Doch die Bundesregierung erfüllt hier keine Vorbildfunktion. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) ist nicht proaktiv genug und zu wenig präsent. Hinzu kommt, dass die Ermittlungsbehörden mit den kriminellen Organisationen technologisch und kapazitativ nicht Schritt halten können. Als die Fidor Bank Opfer eines Erpressungsversuchs mit mehreren DDoS-Attacken wurde, reagierte die ortansässige Polizei offenbar genau wie bei einem Körperverletzungsdelikt –
man wollte erstmal einen Streifenwagen senden …

Man sieht, es braucht ein neues Verständnis und eine neue Herangehensweise für diese moderne Spielart der Kriminalität. Der Gesetzgeber ist hier gefordert, klare Richtlinien aufzustellen, welche Handlungen als Cybercrime zu betrachten sind, wie dagegen vorgegangen wird und welche Strafe darauf steht.

Gerade für Banken ist Sicherheit natürlich DAS zentrale Thema, weshalb sich auch die Finanzaufsicht mit Cyberkriminalität und den entsprechenden Präventivmaßnahmen befassen muss.

Die FCA in UK ist beispielsweise beratend für FinTechs tätig; … in Deutschland überlegt man stattdessen, wie man mit innovativen Ansätzen umgeht und ruft lautstark nach Regulierung.

Der gute Wille ist die Grundvoraussetzung dafür, den Gefahren der digitalen Entwicklung entgegenzuwirken, doch zur Umsetzung bedarf es einer ausreichenden personellen Ausstattung sowie der notwendigen fachlichen Qualifikation und Kenntnis der Thematik. „Big Data“ oder „Internet of Things“ sind bisher für einen Großteil der handelnden Akteure in Politik und Wirtschaft nur Schlagworte – doch in einigen Jahren wird niemand mehr daran vorbeikommen.

Wer nicht ausreichend vorbereitet ist, bekommt Probleme. Es muss das gemeinsame Ziel aller Beteiligten sein, dass Deutschland seine Autonomie und Handlungsfähigkeit im Bereich der Informations- und Telekommunikationstechnik nicht nur erhält, sondern weiter ausbaut. Auf dem Spiel steht nichts weniger als unsere technologische Souveränität sowie der Schutz jedes Einzelnen, von Unternehmen und Institutionen.

Wir brauchen aber diese ganzen Diskussionen nicht führen, wenn ein Interessenverband, der auf Gesetzentwürfe entscheidenden Einfluss hat, diesen derart geltend macht, dass deutsches Recht digitale Prozesse de jure ausschließt. Was das für den Standort Deutschland, die hiesige FinTech-Szene und die Innovationsgeschwindigkeit in unserem Land bedeutet, kann sich jeder ausmalen.

Gestalten und machen – anstatt misstrauisch zu beäugen

Man sollte dabei auch nicht vergessen: Die Digitalisierung bietet enorme Potentiale und ermöglicht Synergien in verschiedenen Bereichen, von denen wir als Gesellschaft profitieren können. Doch dafür braucht es einen Kulturwandel. Wir gehen als Fidor Bank voran und hoffen, dass die Politik den digitalen Wandel ebenfalls aktiv mitgestaltet, anstatt ihn weiter nur misstrauisch zu beäugen. Denn wir laufen Gefahr, unseren Standort kräftig an die Wand zu fahren. Auf der einen Seite lacht man weltweit, wie es einer Ingenieurs-Nation einfach nicht gelingen mag, einen Flughafen zu bauen. Was BER nicht schafft, schiebt VW hinterher und kratz damit gewaltig am Image der Marke „Made in Germany“. Gleichzeitig verschlafen wir bewusst die gegenwärtige digitale Entwicklung und überlassen das Feld kampflos anderen.

Das Fatale daran: Im Netz gilt die Regel „The Winner Takes It All!“aj

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